Wallis Bird - Home (2016)

Wallis Bird hat ihren Frieden und eine erfüllende Partnerschaft gefunden. „Home“ ist ihr Ausdruck für dieses Lebensgefühl.
Der Ausgangspunkt für die Entstehung von „Architect“ aus 2014 war verzehrende Liebe, die sich in dem zwanghaften Wunsch, unbedingt mit einer bestimmten Person zusammen sein zu müssen, ausdrückte. Ohne Wenn und Aber, mit allen Konsequenzen wollte Wallis Bird ihre Freundin Tracey, das Objekt ihrer Begierde, mit dem Album beeindrucken. Und vielleicht ist es ihr gelungen, jedenfalls wurden die beiden ein Paar. Jetzt gibt es mit „Home“ ein Album, das den momentanen Status einer glücklichen Beziehung reflektiert. Die Musik soll ein Indiz dafür sein, dass wahre Kunst nicht nur aus Leid und schlechter Erfahrung heraus entstehen kann, sondern dass auch Hochgefühle kreative Schübe auslösen können.
Home - Bird, Wallis: Amazon.de: Musik
Für „Change“ werden Dance-Pop-Erfahrungen aufgegriffen, die sich durch elektronisches Pochen bemerkbar machen. Dieser Effekt wird in einer verträumt-romantischen Ballade zusammen mit synthetischen, schwebenden Streichern, gefühlvoll-verspielten Piano-Figuren, ungleichmäßigem Fingerschnipsen und leidenschaftlich-pathetischem Gesang verarbeitet. Die Rhythmusbeigaben erwecken den Eindruck, als solle dadurch Herzklopfen vermittelt werden.
Übermütig und gesangstechnisch lebhaft verströmt „Odom“ ausgelassene Party-Stimmung und für „Control“ werden grelle, eindringlich herausgelassene Gefühle in einem ungestümen Indie-Rock ausgedrückt. Bei „Pass The Darkness“ kollidieren dumpfe Bässe und helle Steel-Pan-Töne. Yin und Yang oder hell und dunkel werben um die Vorherrschaft. Bedrohliche Streicher und traurige Gesänge lassen jedoch die dunkle Seite dominieren, ohne dass der Titel dabei in Melancholie zerfließt.
Beim gehetzt wirkenden Pop-Song „That Leads The Way“ bleiben atmosphärische Dichte und intelligente Melodieführung ein wenig auf der Strecke. „Home“ wird a cappella vorgetragen, was ehrenhaft ist und die stimmliche Kompetenz von Wallis unterstreicht. Der Unterhaltungswert entspricht allerdings eher dem eines eingestreuten Gedichts.

Eine Gemeinschaftserfahrung mit vielen Instrumenten, Chorgesang, kunstvollen Streicher- und Bläsereinlagen sowie einer optimistischen Grundausrichtung stellt „Love“ dar. Das ist kammermusikalischer Hippie-Folk für die Gegenwart.
Emphatische Stimmen, die Grenzerfahrungen ausloten, sind Dreh- und Angelpunkt beim phantasievoll arrangierten „The Deep Reveal“, das mit vielen Klangüberraschungen und erstaunlichen Wendungen aufwartet. Was für ein toller Art-Pop! Die Rhythmen von „Fantasy“ erinnern an die überschwänglichen, die Aufmerksamkeit auf sich ziehenden Drums Of Burundi, die in den 80er-Jahren New Wave-Produktionen von Adam & The Ants oder Bow Wow Wow aufgepeppt haben. Der Pop-Song bekommt durch die hitzige Percussion-Einlage ungebremsten Schwung und kann deshalb als Muntermacher funktionieren.
„I Want It, I Need It“ schleicht sich auf leichten Sohlen mit Grummel-Bass, abgespeckter Percussion, E-Piano-Tupfern, dezenter E-Gitarre und sinnlichem Gesang ins Wohlfühlzentrum des Gehirns. Die zweite Hälfte des Liedes atmet durch und strebt teilweise himmelwärts. Mit „Seasons“ folgt zum Abschluss noch eine leicht hingetupfte Piano-Ballade, die allerdings etwas zu süßlich-esoterisch geraten ist.
So ist das mit überschäumenden Gefühlen, die sind nicht immer unter Kontrolle zu bringen. Und so ist es auch mit „Home“, das erstaunliche Momente präsentiert, aber auch Mittelmaß und Überflüssiges zu bieten hat. Unterm Strich wird schließlich eine grundsolide Leistung präsentiert.

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