Hella Comet - Locust Valley (2016)

Krachiger Indie-Rock aus Österreich: Hella Comet vertrauen eher auf die Wirkung von Lärm als auf griffige Melodien.
„Melancholische Stimmungen sind natürlich schon förderlich fürs Musizieren. Die Frage ist halt, was dann rauskommt. Traurige Sachen will man ja nicht machen.“ Das ist ein Statement des Alternative-Rock Quartetts Hella Comet aus Österreich. Auch von Sehnsucht und aufgeladener Stimmung ist die Rede, wenn es darum geht zu beschreiben, was der Antrieb für das Entwerfen von Musik für sie ist. In der Besetzung Bass, Schlagzeug und zwei Gitarren tummeln sich die Musiker um Frontfrau und Sängerin Lea Sonnek in einem Gefilde, das Spaß an einer voluminösen Geräuschkulisse vermittelt, aber auch eine Affinität zum Pop hat: Die Gruppe tobt sich in einem Feld aus Noise-Rock, Sonic Youth-Lärm und Pixies-Wucht aus. Die kraftvolle Wirkung von aggressiven Soundwänden ist dabei häufig wichtiger als die Konstruktion von zündenden Melodien, griffigen Refrains oder ausgeklügelten Arrangements. Es entsteht der Eindruck einer gewollten Ablehnung von Eingängigkeit und klassischen Rock-Strukturen („Idiots and Slavery“).
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Entsprechend wird die Platte von verzerrtem Gitarrenfeedback eingeleitet. Psychotische Klangwelten werden für „Secret Body Nation“ aufgebaut, bis der Schleier fällt und die Band zwischendurch einen milde gestimmten, leicht swingenden Indie Rock erklingen lässt. Aber die dunkle Seite der Macht greift immer wieder nach der erblühenden Leichtigkeit und lässt sie sich nicht entfalten. „Swim“ orientiert sich im Prinzip an der Eindringlichkeit der Pixies und deren mächtig anmutenden Songstrukturen, während „Sid“ Sonic Youth-Randale zitiert. Die Melodie hat es über eine lange Strecke schwer, sich gegen diesen Tumult durchzusetzen.
Bei „Fortunate Sleepers“ bleiben die Störgeräusche im Hintergrund und deuten nur an, dass sie jederzeit in der Lage sind, die Kontrolle zu übernehmen. Und schon funktioniert die Balance besser und die musikalischen Qualitäten der Musiker treten zu Tage.

Die grobschlächtigen Rhythmen, die für „43Goes79Goes43“ im Hauruck-Verfahren rausgepoltert werden, sorgen wieder dafür, dass für eine ernstzunehmende Melodie kein Platz ist. „The Wicked Art To Fake It Easy“ macht zwar einen relativ ausgelassenen Eindruck, melodisch ist das Teil aber relativ einfach gestrickt.
Sämig und schwerfällig bewegt sich „Midsummer Heat“ vorwärts. Kennt noch jemand die Noise-Pop Band The Jesus And Mary Chain, die in den 80er- und 90er-Jahren durch zuckersüße Melodien, die in ein Gewitter aus Feedback gepackt wurden, beeindrucken konnte? So entstand damals spannungsgeladene, die Sinne verwirrende Musik. Das ist im Prinzip auch die Vorgehensweise von Hella Comet und bei „Midsummer Heat“ sowie „Dead Match Figure“ geht die Rechnung der Zuckerbrot-und-Peitsche-Taktik auch auf: Die Melodie ist einnehmend und die brachiale Gewalt flankiert, aber dominiert nicht.
Der verunglückte Art-Rock-Versuch mit dem experimentellen, instrumentalen „Conk Out“ am Schluss dieser als Schallplatte mit beiliegender CD und Download-Code ausgestatteten Aufnahmen verstärkt den uneinheitlichen, unausgereiften Eindruck. Der noisige Indie-Rock hinterlässt häufig den Eindruck, die Kompositionen seien spontan und unkoordiniert entstanden, was weder dem Anspruch der Musiker entspricht, noch ihre wahren Fähigkeiten widerspiegelt. „Fortunate Sleepers“, „Midsummer Heat“ und „Dead Match Figure“ zeigen jedoch sehr wohl, dass der Wille und die Fähigkeit zu Struktur und konstruktivem Songaufbau vorhanden sind, sich aber nicht konsequent durchsetzen können.

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