Nomfusi - African Day (2017)

Warum nur lässt sich die talentierte Afro-Soul-Pop-Sängerin Nomfusi auf solch ein weichgespültes Mainstream-Abenteuer ein?
Kleine Menschen werden manchmal unterschätzt. Deswegen müssen sie durch besonderen Ehrgeiz auf sich aufmerksam machen, um überhaupt wahrgenommen zu werden. Davon weiß auch die nur 1,50 Meter große Sängerin Nomfusi Gotyana aus Südafrika ein Lied zu singen. Der Temperamentsbolzen hat sich durch etliche Widrigkeiten kämpfen müssen, die ihre Erscheinung mit sich bringt. Aber wurde die Sängerin auf ihrem dritten Album hinsichtlich ihrer offensiven gesanglichen Fähigkeiten adäquat aufgebaut? Und darf sie sich in Bereichen tummeln, in denen sie ihre Stärken voll auskosten kann?
Nomfusi: African Day (CD) – jpc
Der Afro-Pop „Wave Of Love“ tänzelt leichtfüßig zwischen New York City-Jazz, Karibik-Funk und Soul-Pop hin und her. Der Song hat die Beweglichkeit der frühen Al Jarreau Pop-Jazz-Stücke und die Anpassungsfähigkeit der Disco-beeinflussten Lieder von Chaka Khan. It`s Show-Time! Nomfusi bringt ihren Jazz-Pop auf die Cabaret-Bühne und spricht damit sowohl Vocal-Jazz-Anhänger wie auch World-Music-Freunde an: Lässig, intellektuell angehaucht und trotzdem schwungvoll präsentiert sich so der Titelsong „African Day“.
Für „Don`t Play That Game“ werden Funk, Reggae und Jazz in den Vordergrund gerückt. Gesanglich geht es frustriert-flehend oder verführerisch-anlockend zu. Gastsänger Leee John (ex-Lead-Sänger von Imagination) unterstützt dann beim Funk-Rock „Remember“ mit kämpferisch betonter Stimme. Die Ballade „Sthandwa Sami“ verarbeitet Pop- und Jazz-Einflüsse sowie afrikanische Folklore. Der Titel wird mit Inbrunst vorgetragen, ist aber letztlich nicht raffiniert genug umgesetzt, um gänzlich zu überzeugen. Mit „My Mother`s Spear“ ehrt Nomfusi ihre Eltern und alle afrikanischen Mütter. Der Song hätte allerdings mehr künstlerische Eigenständigkeit verdient gehabt.
„When I See You“ ist ein blasser Mainstream-Pop, der in dieser Form sogar European Song Contest-tauglich wäre und auch der klassische Motown-Soul-Pop „Hey“ wurde recht durchsichtig gehalten und wirkt dadurch blass und unauffällig. Die Abmischung des Mainstream-Pop „Wait“ ist merkwürdig, da das Klangbild etwas dumpf geraten ist und der Lounge-Mix von „You Are“ hat eine sinnlich-romantische Note. Dieser Soul-Pop ist jedoch zu gefällig, um länger im Ohr zu bleiben. Es fehlen Meilenstein setzende Widerhaken. „Wrong Side“ wird wieder gesanglich von Leee John begleitet. Heraus kommt eine gefühlsduselige Ballade mit schmachtendem Gesang ohne künstlerischen Anspruch. Leee John macht dabei auf Elton John und Nomfusi spielt die Soul-Diva.
„Hero“ bietet langweiligen Mainstream-Pop mit aufgesetzten, unecht erscheinenden Emotionen und „Stay With Me“ klingt nach süßlichem Balladen-Pop. Als Referenz scheint Shirley Bassey eine Rolle gespielt zu haben. Der Lounge-Remix von „My Mothers`s Spear“ präsentiert sich zum Abschluss als blutleere R&B-Nummer mit HipHop-Einschüben ohne packende Melodie. „African“ Day“ ist ein typischer Fall von verschwendetem Potential. Warum wird der Sängerin ein in weiten Teilen stromlinienförmiges Produkt verpasst, wo doch so viel mehr in ihr steckt? Ihre überdurchschnittlichen Gesangsleistungen brauchen ein anspruchsvolles Song-Gerüst, um voll ausgereizt werden zu können. Es ist traurig, wie der Künstlerin durch das auf Massenkompatibilität ausgerichtete Album verwehrt wird, ihre Möglichkeiten auszureizen.
Die ersten vier Songs können noch ungefiltert Frische, Spaß und Dynamik vermitteln. Diese Stimmung wird im Verlauf einer berechnenden, angepassten, risikolosen Vorgehensweise geopfert. Da wurde die Musikerin definitiv falsch beraten und hat sich selber der Chance beraubt, ein Ausrufezeichen zu setzen.

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