Laura Marling - Once I Was An Eagle (2013)

Die Speerspitze des intellektuellen britischen Folk.

Es war zu erwarten, zumindest aber zu hoffen, dass LAURA MARLING mit ihrem aktuellen  Album ganz groß auftrumpfen würde. Hatte sie doch mit ihren bisherigen Werken schon überzeugt und die Messlatte in britischen Folk-Kreisen schon sehr hoch gelegt. Mit ONCE I WAS AN EAGLE lässt sie jetzt ihre Konkurrenz Lichtjahre zurück. Die zierliche, zerbrechlich wirkende, erst Dreiundzwanzigjährige komponiert und interpretiert mutig, ohne Scheuklappen und ohne Blick auf kommerzielle Klischees auf einem Niveau, dass sie schon jetzt mit den ganz Großen ihres Fachs auf eine Stufe stellt. Sie vereinigt die intellektuelle Lässigkeit einer JONI MITCHELL mit der abgeklärten Reife einer LAURA NYRO und der mutigen Extravaganz eines TIM BUCKLEY.

Sie fordert die volle Aufmerksamkeit des Hörers und belohnt diese dann mit einer intensiven Hörerfahrung. Sie kümmert sich nicht um Konventionen, Erwartungen und Marketingstrategien, sondern nimmt sich die Freiheit, ihre musikalischen Visionen ungefiltert umzusetzen.
Once I Was An Eagle - Laura Marling: Amazon.de: Musik
So gehen die ersten vier Songs (TAKE THE NIGHT OFF; I WAS AN EAGLE; YOU KNOW und BREATHE) nahtlos ineinander über, was nicht unbedingt radiotauglich ist, dafür aber für Mut und Individualität spricht. Die Songs sind sparsam arrangiert, wirken dabei aber nicht dröge, sondern griffig und kompakt. Die Instrumente werden präzise – wie Farbtupfer – eingesetzt, so dass sie den Fluss der Kompositionen unterstützen. Man hört akustische Gitarren, die mit einem Piano verwoben  und durch Handtrommeln aufgemischt werden. Ein unaufdringliches Schlagzeug weckt Aufmerksamkeit, bevor Stimme und Gitarren als Zweigestirn den nächsten Part einleiten. Bass und Trommeln setzen Duftmarken und lockern die vorwiegend nachdenkliche Stimmung auf. Diese intimen Songs gehören alleine der Künstlerin und dem Hörer.

Nach dem ersten intensiven Song-Block , der etwa eine Viertelstunde dauert, sind die Sinne geschärft und es gibt mit MASTER HUNTER einen relativ strammen Weckruf. Die Musiker lassen akustisch folk-rockend ihre Muskeln spielen. Schlagzeug und Percussion spielen sich frei, es klappert und klopft erfrischend und der Kopf wird klar für weitere Hör-Erlebnisse. Ein Wechselbad der Gefühle wird geboten, aber LAURA MARLING versteht es trotz allem Anspruch, den Hörer nicht zu überfordern. Durch geschicktes Variieren bleibt man neugierig darauf, was als nächstes passiert.
Und es tut sich eine Menge. LITTLE LOVE CASTER wirkt verschwommen und zerbrechlich und DEVIL`s RESTING PLACE verbindet atmosphärisch Kulturen und Epochen, Orient und Okzident, musikalische Gegenwart und Vergangenheit. Das ist universelle, Grenzen auflösende Folk-Music. INTERLUDE bietet eine 2 minütige Ambient-artige Verschnaufpause und UNDINE ist zu gleichen Teilen Greenwich Village Folk der 60er Jahre wie moderner Alternative-Folk. Auch bei WHERE CAN I DO werden Erinnerungen an den Laurel Canyon Westcoast-Folk wach, auch THE BAND wird aufgrund der flächigen Orgelpartien zitiert. ONCE verkörpert Harmonie und Wärme und PRAY FOR ME entwickelt sich im Verlauf von einem zurückgenommenen Song zu einem voll instrumentierten dynamischen Folk-Rock-Track.

WHEN WHERE YOU HAPPY? und LOVE BE BRAVE machen Anleihen bei der filigran-raffinierten Komponierkunst des Psychedelic-Folk-Rock. Auf das episodenhafte LITTLE BIRD wäre selbst JONI MITCHELL stolz und mit dem sich langsam steigernden SAVED THESE WORDS wird ein würdiger Schlusspunkt gesetzt. Der Ideenreichtum des Albums ist enorm und es verlangt mehrere Hördurchgänge, um umfassend gewürdigt werden zu können.
LAURA MARLING gehört zur Speerspitze einer neuen introvertierten, intellektuellen Folk-Szene aus England und sie setzt mit ONCE I WAS AN EAGLE neue Qualitäts-Maßstäbe.

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