No Sinner - Old Habits Die Hard (2016)

Stark angefangen und genauso stark nachgelassen: No Sinner haben das Zeug dazu, ein klasse Rock-Album zu produzieren, machen hier aber nach der Hälfte schlapp.
Woher kommt der Name No Sinner, den sich die Band aus Vancouver in Kanada gegeben hat? Das ist ein Wortspiel. Wenn der Nachname ihrer Power-Frontfrau Colleen Rennison rückwärts gelesen wird, ergibt sich des Rätsels Lösung. „Old Habits Die Hard“ ist nach „Boo Hoo Hoo“ aus 2013 die zweite Platte der im weitesten Sinne als Roots-Rock-Formation zu bezeichnenden Gruppe.
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Die Kanadier stromern in einem Gebiet, in dem leicht die Orientierung verloren gehen kann und die Musik versinkt dann im trostlosen, abgedroschenen Mainstream. Aber No Sinner bekommen anfangs noch die Kurve. Colleen ist nun auch keine typische Rock-Röhre, die sich und ihre Stimme im Zentrum des Universums platziert, sondern sie geht trotz üppiger Präsenz ökonomisch mit ihrer Energie um. Das brachte ihr schon Vergleiche mit Amy Winehouse, Etta James, Janis Joplin und Nina Simone ein.
Die Musiker packen die Zuhörer mit dem Opener „All Woman“ fest zwischen den Ohren und lassen ihn erst mal nicht wieder los. Frau Rennison macht dem Psychedelic-Garagen-Power-Rock mit ihrem hymnisch-nachdrücklichen Gesang ordentlich Beine und das Gitarren/Bass/Schlagzeug-Geflecht sorgt für einen satten, beweglichen Sound. Bei „Leadfoot“ fühlt sich die Colleen Rennison Robert Plant verpflichtet und hinterlässt ihre Interpretation von Led Zeppelins „Good Times Bad Times“. Stimmlich geht die kraftvolle Sängerin an ihre Grenzen und verausgabt sich heftig. Der Einfluss der Roots-Rock-Ikone Bonnie Raitt wird beim Southern-Rock von „Tryin“ deutlich. Coolness und überbordende Emotionen halten sich hier die Waage.
Klassischer Rock & Roll à la Little Richard bildet die Basis des schäumenden „Saturday Night”. Die Ballade „Hollow“ bietet dann die erste Erholungspause. Sie wird unsentimental und ergreifend zum Besten gegeben. Ab „Get It Up“ ist es dann oft vorbei mit dem Glanz: Dieser Titel kippt gefährlich in Richtung Stadion-Rock und „Fading Away“ klingt, als würde Amy Winehouse melodischen Hard-Rock singen. Das wirkt jedoch statisch, gestelzt und gewöhnlich wie Dutzendware. „Friend Of Mine“ orientiert sich am Glam-Rock und Boogie von T. Rex, ruiniert den Song aber durch eine schlagerhafte Rhythmus- und Stimmarbeit.
„When The Bells Ring“ nimmt Anleihen bei Led Zeppelin, wird aber nicht so konsequent druckvoll wie bei den Vorbildern umgesetzt. Auch weil der Gesang ins Pathetische und Süßliche abgleitet. „Lines On The Highway“ hat einen soften, souligen Einschlag, wie die Lieder von Donny Hathaway oder Roberta Flack, erhalten. Das betört aber hier nicht zuverlässig, weil der Gesang zwischendurch die dunkle Farbe verliert und dann beinahe an die unverbindliche Schönsingerei von Celine Dion denken lässt. „One More Time“ ist ein gradliniger, schlüssiger Hardrock mit atmosphärischem Mittelteil und für „Mandy Lyn“ wird die Slide-Gitarre rausgeholt. Sie ist bei diesem sämigen Rocker der Star. Colleen begnügt sich damit, eine laszive Rock-Röhre darzustellen, anstatt beseelt zu begleiten.
Es ist schade, dass die Frische, Energie und Kreativität der ersten Songs nicht für das gesamte Album ausgereicht haben. Leider wurde dadurch die Chance vertan, ein beachtenswertes Werk an den Start zu bringen. So bleibt in Summe nur Mittelmaß, wo doch so viel mehr möglich gewesen wäre.

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