Sonar - Vortex (2018)

Spiritueller Minimalismus, Jazz-Grooves und gewagte Gitarrenlinien: Sonar füllen den Raum zwischen Steve Reich und King Crimson.
Sonar, das Jazz- und Art-Rock-Groove-Quartett aus der Schweiz, wurde 2010 gegründet und besteht aus den Mitgliedern Stephan Thelen (Gitarre), Bernhard Wagner (Gitarre), Christian Kuntner (E-Bass) und Manuel Pasquinelli (Schlagzeug). Sonar steht für Sonic Architecture: Das soll ausdrücken, dass es die Musiker darauf anlegen, auf polyrhythmischer Basis mit Groove basiertem, mathematischem Minimalismus strukturierte, aber dennoch atmosphärische Klangräume zu erschaffen. Zwei Alben haben die innovativen Gitarrenkünstler und das spannungsgeladene Rhythmus-Team bisher schon veröffentlicht („Static Motion“, 2014 und „Black Light“, 2015). Das dritte Werk „Vortex“ sollte nun vom amerikanischen Jazz-Gitarristen David Torn betreut werden. Torn hatte sich unter anderem schon aufgrund seiner Unterstützung für David Bowie („Heathen“, 2002, „Reality“, 2003, „The Next Day“, 2013), David Sylvian („Secrets Of The Beehive“, 1987, „Everything And Nothing“, 2000) oder John Legend („Once Again“, 2006) einen guten Ruf geschaffen.
Vortex | Sonar
Die Zusammenarbeit mit Sonar funktionierte dann allerdings so gut, dass David letztlich alle Aufnahmen mit seiner Kunst bereicherte und auf jedem Stück zu hören ist. Das neu gebildete Quintett entführt uns mit „Part 44“ gleich zu Beginn in mechanisch gestaltete Gefilde, die die hypnotische Wirkung der Minimal-Music von Steve Reich mit der gestalterisch freien Jazz-Welt verbinden. Der Track lässt zusätzlich eine kühne Abenteuerlust erkennen, denn die Gitarren scheuen auch nicht vor schräg angesetzten Seitenhieben zurück. Aber keine Bange, die bindenden Strukturen geraten nicht vollends aus den Fugen. Sowohl Progressive-Rock-Hörer wie auch Jazz-Grenzgänger finden hier spannendes Futter für die Ohren. Der Schlagzeuger funktioniert sowohl als unnachgiebiger Taktgeber wie auch als peitschender Antreiber. Der Bass grummelt dazu als geduldiger, treuer Kumpane. Die Gitarristen legen Störfeuer wie es einst Adrian Belew bei King Crimson tat. Sie können aber auch die stoisch-monotone Gleichförmigkeit als nachgiebige Teilnehmer verzieren.
Die E-Gitarre nimmt bei „Red Shift“ die Stimmung von Glockenklängen auf und transformiert die wellenförmig schwingenden Töne in ruckartige Morse-Klänge. Das Stück scheint dabei alarmierend auseinander zu fallen, es wird jedoch durch ruhigere, sphärische Abläufe repariert. „Waves And Particles“ lässt es gemächlich angehen. Gitarren-, Schlagzeug- und Bass-Spuren werden fast nur getupft eingesetzt und zunächst durch spärliche Space-Sounds angereichert, die dann aber punktuell durch kreischende Gitarren gesprengt werden.

Wie eine Black-Box sendet „Monolith“ stupide Botschaften aus und die Gitarren bekommen Freiräume, die sie kreativ ausfüllen. Die Komposition bleibt dennoch unnahbar und abweisend. „Vortex“ arbeitet sich von einem gleichmäßig tickenden zu einem eruptivem Stück mit einem intensiven Gitarrenausbruch voran, der an die Attacken von Jimi Hendrix erinnert. Dieses Schauspiel wiederholt sich im Laufe der neuneinhalb Minuten nochmal. „Lookface!“ bietet abschließend sowohl Aggressivität wie auch gewollte gleich ablaufende Zustände an und steht damit stellvertretend für die emotionalen Kontraste in der Sonar-Musik.
Was allen Kompositionen eigen ist, ist die Nutzung der suggestiv-spirituellen Kraft der Minimal-Art. Darüber werden Improvisationen und harmonisch ausgleichende Bestandteile gelegt. Erstaunlicherweise wirken auch die Gitarren-Eruptionen nicht destruktiv, sondern anregend. Aus den dynamisch atmenden Bestandteilen ergibt sich so eine angenehm prickelnde Mischung. Wäre es jetzt noch gelungen, die weiche, anklagende Stimme des intellektuellen Pop-Dramatikers David Sylvian für diese Aufnahmen zu reaktivieren und zu integrieren, wäre die Überraschung perfekt gewesen.

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