Laura Veirs - The Lookout (2018)

Folk war nur der Anfang: Laura Veirs hat sich längst von der reinen Lehre emanzipiert und strebt neue Dimensionen an.
Die 1973 in Colorado Springs (USA) geborene Laura Veirs brachte 1999 ihre erste Platte raus, zu der sie nur zur akustischen Gitarre sang. Diesen Folk-Background pflegt sie bis heute, hat ihn aber schon ab ihrem zweiten Album „The Triumphs And Travails Of Orphan Mae“ aus 2001 durch Hinzunahme weiterer Musiker und Erweiterung des Sound-Spektrums modifiziert sowie im Laufe ihrer Karriere immer weiter künstlerisch veredelt. „The Lookout“ ist jetzt das erste Solo-Album nach „Warp & Weft“ aus 2013. Im Anschluss an dieses Album musste Laura Kindererziehung und Künstlerdasein unter einen Hut bringen, deshalb gab es erst 2016 zusammen mit den Kolleginnen k.d. Lang und Neko Case ein weiteres vielbeachtetes musikalisches Lebenszeichen. Aber nun widmet sich die 44jährige Amerikanerin wieder unter eigenem Namen der Entwicklung ihres speziellen Klanges und dieses Vorhaben vollführt sie mit Können und Hingabe.
Album-Review: Laura Veirs – The Lookout
Die Künstlerin greift beim Opener „Margaret Sands“ ohne Umschweife ins Geschehen ein, übernimmt sofort die Kontrolle und dirigiert das Geschehen souverän. Gepickte Akustik-Gitarren und Ehrfurcht gebietende, an Gregorianische Gesänge angrenzende Männer-Stimmen stehen sich spannungsgeladen gegenüber. Feenhafter Folk-Jazz trifft hier auf sakrale Schwingungen. „Everybody Needs You“ reizt erneut die Grenzen des Folk aus, denn diese im Grunde genommen sachliche und nüchterne Musik bekommt hier einen experimentellen Anstrich verpasst. „Seven Falls“ greift dann den schwärmerischen Country-Folk der 1960er Jahre auf und lässt ihn in einem sympathischen Pop-Gewand neu erstrahlen.
Besondere melodische Raffinesse offenbart das majestätische „Mountains Of The Moon“ und erinnert deshalb sowohl an die beatlesken Schöpfungen von Aimee Mann wie auch an die grazilen Lieder von Sandy Denny. „Watch Fire“ begibt sich musikalisch auf Weltreise und macht Station in Irland, Indien und in den USA. Folkloristische Eigenheiten aus allen drei Ländern werden behutsam eingebracht, so dass deren Existenz nicht dominant hervorsticht, sondern lediglich als Nuance vorhanden ist. „Heavy Petals“ vermittelt gleichzeitig einen intimen wie auch einen analytischen Eindruck, während der Track „The Lookout“ unbeschwert und aufgeweckt daher kommt und dadurch gute Laune verbreitet.

„The Meadow“ wurde auf das Wesentliche reduziert und spiegelt sich im Licht der Zeiten zwischen Jazz- und Barock-Ballade wider. Psychedelischer Country-Rock zeigt sich wirkungs- und stimmungsvoll bei „The Canyon“. Es weht ein Hauch von Freiheit und Abenteuer durch diesen Song. Klopfende Elektronik, wie von einem mechanischen Herz, gibt den Takt bei „Lightning Rod“ an und „When It Grows Darkest“ beinhaltet musikalische Einflüsse aus Indien und Japan. „Zozobra“ geht zu guter Letzt auf Tuchfühlung mit Garagenrock, ohne diesen Hinweis zu sehr zu strapazieren. Das Stück bleibt gebändigt, aber es rumort unter der lieblichen Oberfläche.
Das Eigentümliche an der Kompositions- und Arrangier-Technik von Laura Veirs ist, dass aus dem Folk die heimeligen, wärmenden und bodenständigen Elemente extrahiert und mit einfallsreichen, schmückenden Facetten anreichert werden, so dass dadurch jeglicher Verdacht auf Biederkeit im Keim erstickt wird. Laura macht Musik für Menschen, die überraschende, intensive Hörerlebnisse im Singer-Songwriter-Umfeld erwarten. „The Lookout“ ist ein Konzeptalbum über die Zerbrechlichkeit der Schönheit des Lebens geworden, bei dem es im Kern um Achtsamkeit geht. Es richtet sich dadurch an Genießer mit Sinn für außergewöhnliche Akzente und Verbindungen. Mit ihrer Konzeption und Bandbreite gehört die Amerikanerin deshalb neben Laura MarlingFeist oder Julia Holter zur Speerspitze der aktuellen weiblichen Folk-Avantgarde.

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