Brisa Roché - Invisible 1 (2016)

Brisa Roché hat Ideen, die den aktuellen Mainstream-Pop weiterbringen können.
Kunst und damit auch Musik ist keine Einbahnstraße. Und trotzdem bleiben die meisten Musiker einer einmal eingeschlagenen Richtung treu. Das geht ja auch völlig in Ordnung, wenn dabei nicht die Begeisterung verloren geht. Schließlich riskiert der Musiker bei einem Zickzack-Kurs, einen Großteil seiner mühsam eroberten Fans bei jedem Hakenschlag wieder zu verlieren. Das muss aber nicht zwangsläufig so sein und auch Brisa Roché geht dieses Risiko ein. Sie ist eine Kalifornierin, die in Paris nach der Jahrtausendwende in Jazz-Clubs auftrat und sich dadurch einen solch guten Ruf zulegte, dass das angesehene Jazz-Label Blue Note auf sie aufmerksam wurde und ein erstes Album („The Chase“, 2005) mit ihr aufnahm. Zurück in den USA schrieb sie dann die Songs für das zweite Werk („Takes“, 2007), das sich am psychedelischen Westcoast-Folk-Rock ihrer Heimat orientierte. Die dritte Platte aus dem Jahr 2010 hieß „All Right Now“ und wurde von der Künstlerin selbst als Garage-Disco-Psycho-Pop bezeichnet.
Invisible 1 - Brisa Roche: Amazon.de: Musik
Zwei Jahre später gründete die vielseitige Musikerin mit den Sängerinnen Rosemary Standley und Ndidi Onukwulu (die auch eine beachtliche Solo-Karriere am Laufen hat) das Trio The Lightning 3. Heraus kam bei der Zusammenarbeit das Album „Morning, Noon And Night“. Nach einem Engagement für vier Songs als Soundtrack für den Film „Yves Saint Laurent“ im Jahr 2014 zieht sich die Künstlerin zunächst wieder in die Staaten zurück. Die Aufnahmen für „Invisible 1“ entstehen dann im Wechsel zwischen Kalifornien und Paris und fangen sowohl entspannte ländliche wie auch pulsierend-urbane Stimmungen ein, die aus den mannigfaltigen bisherigen Erfahrungen schöpfen und neue Vorlieben einfließen lassen.
„Lit Accent“ ist romantisch gefärbter Electro-Pop. Synthetischer, rhythmisch scharf getakteter Dance-Pop mittleren Tempos mit jubilierendem Gesang in höheren Tonlagen bietet dann „Echo Of What I Want“, während „Night Bus“ eine Ballade ist, die Romantik und Country-Folk zusammenwürfelt. „Groupie“ beinhaltet Disco-Funk-Pop mit gleichförmiger Melodie ohne wirkliche Höhepunkte und „A Minute“ zeigt sich als ein leicht verschwommener, undeutlich strukturierter Track, der beruhigend und mitfühlend wirkt.
„Disco“ gleitet als lockerer, tanzbarer Track geschmeidiger vorbei und „You Like A Fire“ fängt wie eine Privataufnahme aus dem Übungsraum an, die unter technisch einfachen Bedingungen zur akustischen Gitarre eingespielt wurde. Der Track wechselt dann in den Tonstudio-Sound-Modus, bleibt aber intim und zurückhaltend, was die Begleitung angeht. Sehr langsame Streicher und ein müder Rhythmus halten das Stück am Leben. Es folgen scharf angeschnittene, übersteuert wirkende Keyboards, die die Stimmung anheizen. Zum Schluss wird es wieder zart und ruhig, weil nur Piano-Tasten als einsame Begleiter sanft angeschlagen werden. „Each One Of Us“ ist sinnlich, betörend und verschmilzt fragilen Westcoast-Folk-Rock mit dunklem, nachtaktivem, anspruchsvollem Chanson-Flair. Das erinnert zeitweise an die besten Stücke des französischem Elektro-Folk-Pop-Duos Air. Die „Diamond Snake“ rasselt eher einladend als gefährlich. Durch leicht exotischen Weltmusik-Pop wirkt die Nummer wie ein sommerlicher Radio-Hit.
„Walk With Me“ steigt langsam, wie aus einem Traum erwachend, in die Gehörgänge. Leise, verführerisch, kriecht der Gesang empor und wickelt den Zuhörer hypnotisierend ein. „Vinylize“ treibt es funky und New Wave-rockig. Zusammen mit dem strammen Gesang ist das eine Referenz an die Combo The B-52`s („Rock Lobster“) aus den 80er-Jahren. Eleganter, schwebender Jazz-Pop mit kurz angerissenen, erdenden Gitarren gibt es zum Abschluss bei „Find Me“ zu hören.
„Invisible 1“ verzichtet leider fast vollständig darauf, die Jazz-Qualitäten von Brisa zu präsentieren. Der Anteil der am Dance-Pop orientierten Nummern ist demgegenüber aber relativ hoch. Die stärksten Songs sind allerdings die, bei denen die Sängerin moderne Rhythmen mit klassischen Strukturen zusammenbringt. Mit ihrer flexiblen, ausdrucksstarken Stimme veredelt sie diese Gewächse zu gediegenem, zeitgemäßem Pop mit attraktiven, songdienlichen Zutaten. Weiter so.

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