Songs des Tages: Der Corona Soundtrack mit Gene Clark und The Rembrandts.
Die derzeitigen Einschränkungen des gewohnten Leben haben einen
ernsten Hintergrund: Den Schutz von sogenannten Risikogruppen. Solidarität ist
also oberstes Gebot. Vorsicht gegenüber denen, für die das Corona-Virus eine
tödliche Gefahr darstellen kann, ist geboten. Das hat zur Folge, dass die
gewohnte Nähe zu anderen Menschen durch Abstands- und Hygieneverordnungen aus
Sicherheitsgründen nicht möglich ist. Dieser Zustand kann nicht adäquat ersetzt
werden, aber die Musik kann in dieser Situation für Ablenkung und Kraft sorgen.
Und da spielen zwei Songs für mich grade eine zentrale Rolle: Die stimmungsvolle Ballade “From A Silver Phial” von Gene Clark
ist Trostspender und Mutmacher zugleich,
während die Power Pop-Kraft von “I`ll Be There For You” von The Rembrandts für positive Schwingungen und Aufbruchstimmung sorgt
Zwei Seiten einer Medaille also,
die jeweils intro- und extrovertierte Gefühle in den Mittelpunkt stellen. Gene
Clark nimmt den Hörer in den Arm, sorgt für Empathie und begleitet einfühlsam
auf einem schwierigen Weg, während The Rembrandts Lebensgeister wecken und die
Sicht auf hoffnungsvolle, erfüllende Momente freigeben. Musikalisch sind die
beiden Titel also emotional und zeitlich weit voneinander entfernt.
Der 1944 in Tipton/Missouri geborene Gene Clark gehörte 1964 zu den Gründungsmitgliedern der Folk-Rock-Band The Byrds, die ländliche Klänge ins Space-Age-Zeitalter überführen wollten. Clark, der dem Erfolgsdruck nicht Stand halten konnte und nach alternativen Ausdrucksmöglichkeiten suchte, nahm 1974 das damals verkannte Meisterwerk „NO OTHER“ auf, aus dem “From A Silver Phial” stammt.
Das geschah in einer Zeit, als die Hippie-Träume in Scherben lagen, der
Vietnam-Krieg die Jugend der USA fraß und die Rock-Musik zunehmend weichgespült
wurde.
Über den Sinn und die Bedeutung des Songs wird seitdem kontrovers diskutiert, einig sind sich aber alle Experten darüber, dass Clark selten intensiver geklungen hat.
Das einleitende Piano ist stilistisch nicht eindeutig zuordenbar. Es steht jedoch für Verlässlichkeit, Bodenhaftung und zeitlose Qualität. Wenn dann das Schlagzeug einsetzt, wird klar, dass das Klavier nicht die einzige Konstante in diesem altersweisen Song ist. Gene Clark singt dazu wie ein gefallener Engel und die Background-Stimmen hüllen ihn in einen überirdisch schönen Klangteppich ein, der erleuchtet und nicht benebelt.
Und was der famose
Session-Gitarrist Jesse Ed Davis an E-Gitarren Soli abliefert, ist auch nicht
von dieser Welt. Jeder Ton ist da, wo er hingehört, um eindrucksvoll die
schmerzlich-melancholische Grundstimmung zu reflektieren und Raum für Wandlung zu
schaffen. Diese besteht in einem unterschwelligen Kampf gegen Dämonen, der sich
merklich in einen zuversichtlichen Eindruck verändert. Das geschieht liebevoll
und führt zu einer spezifischen inneren Spannung, die den Song letztlich als Seelenbalsam
erscheinen lässt.
Überfallartig appellieren im Unterschied dazu The Rembrandts an unser Spaßzentrum. “I`ll Be There For You” (auf dem 1995er Album „L.P.“)
wurde
als Erkennungsmelodie der Sitcom „Friends“ (mit Jennifer Aniston) eingesetzt
und startet hellwach, zündet ein Feuerwerk an Hooklines und beinhaltet alle
Tugenden, die ein 3-Minuten-Pop-Song besitzen sollte: Eine einprägsame Melodie,
einen unwiderstehlichen Refrain, eine kraftvolle, knackige Instrumentierung,
raffinierte Wendungen und charmante Gesänge.
Die 1989 in Los Angeles von Danny Wilde (Gesang, Gitarre, Keyboards) und Phil Solem (Gesang, Gitarre, Bass, Keyboard, Schlagzeug)
gegründete Band hat trotz guter bis sehr guter Alben im Gegensatz zu Gene Clark nie die hohen Weihen des exklusiven, künstlerisch wertvollen Vortrags genossen und wurde nicht unbedingt mit Kritikerlob überschüttet. Na und? Bei “I`ll Be There For You” durchbrechen die Töne jeden Trübsinn, verdrängen dunkle Wolken und können so ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Wenn das nicht hohe Kunst oder sogar Magie ist...
Elektrische Gitarren lassen die Sonne aufgehen und der Rhythmus ist kompromisslos mitreißend, um nicht zu sagen: erregend. Der Lead-Gesang bleibt cool, wirkt aber ansteckend optimistisch.
Das ist der Sound,
der im Grunde genommen schon jeden Jugendlichen seit den 1960er Jahre begleitet
hat, egal ob er damals The Beatles (“Paperback Writer”), The Monkeys (“I`m A
Believer”), The Equals (“Baby Come Back”) oder Ohio Express (“Yummy Yummy Yummy”)
gehört hat. Das hat den zeitlosen Geschmack von unbekümmertem verliebt sein und
klingt nach grenzenlosem Spaß mit Freunden.
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