John Maus - Screen Memories (2017)

Das Comeback nach sechs Jahren ist John Maus nur eingeschränkt geglückt.
Ein Hoch auf die 1980er Jahre? Die Synthesizer-Klänge, die John Maus zur Verzierung seiner Songs verwendet, erscheinen manchmal kühl und manchmal pathetisch. Verweise an Human LeagueJoy Division, Kraftwerk, The Sisters Of Mercy oder Ultravox sind wohl nicht zufällig. Wer die Dekade der 80er, die durch Drum-Computer, elektronische Spielzeuge und die Abwendung von akustischen Klängen geprägt war, bewusst miterlebt hat, dem beschert John Maus ein emotionales Deja Vu-Erlebnis. Aber ist es notwendig, diese hinlänglich ausgelutschte Phase künstlerisch aufzubereiten? Maus setzt dabei auf die Darstellung der Abgrenzung zwischen Mensch und Maschine. Unnahbarkeit und bloßes Funktionieren tritt gegen den Wunsch nach Nähe und Vielfalt an. Der Gesang bleibt schemenhaft, undeutlich und unnahbar. Schwebeklänge und Industrie-Rhythmen wechseln sich ab, ergänzen sich oder buhlen um die Vorherrschaft.
Screen Memories - John Maus: Amazon.de: Musik
Die künstlichen Klänge von „The Combine“ heucheln Zuversicht und Hoffnung, können aber bei genauerer Betrachtung nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie kalkuliert eingesetzt werden, um für Sympathie zu werben. Die Stimme bleibt dabei schmückendes Beiwerk, da sie sich nicht bedeutend in Szene setzen kann. Die Synthesizer-Töne steigern sich ins Sakrale und demonstrieren ihre Macht über die Gefühle. Auch bei „Teenage Witch“ lullen die manipulativen Noten ein und lassen dem Gesang keine Entfaltungsmöglichkeit. Der Mensch wird zum Formel-Beter reduziert. Er fungiert nur als Mittel zum Zweck für dieses hypnotisierende Lied.

Die Kreationen von John Maus versprühen den unterkühlten Charme einer ambitionierten Do-It-Yourself-Produktion. „Touchdown“ bedient sich dabei der depressiven Stimmung von Joy Division, muntert diese jedoch durch temporär eingesetztes glockenhelles Klingeln und stellenweise Tempoerhöhungen ein wenig auf. „Walls Of Silence“ setzt auf die monoton-beschwörende Wirkung von Wiederholungen, dagegen agiert „Find Out“ mit seinen kurzen Gitarren-Attacken schon beinahe übermütig.
Der vernebelte, mit Echoeffekten versehene Gesang von „Decide Decide“ versucht dem Stück eine psychedelische Note zu verpassen. Bei „Edge Of Forever“ wird dieser verwaschene Effekt durch die Verwendung von orgelähnlichen Progressive-Rock-Klängen verstärkt. Die Lieder „The People Are Missing“ und „Pets“ erwecken zunächst den Eindruck, als würden sie den Hörer auf die Tanzfläche locken wollen, sie grooven dazu aber nicht konsequent genug. Vorsichtig wird die Stimme für „Sensitive Recollections“ so aufbereitet, dass sie wie Gregorianischer Kirchengesang klingt. Die dadurch erzeugte andächtige Stimmung erhält als Stütze einen bedächtigen Herzschlagrhythmus. „Over Phantom“ vermittelt dann einen uninspirierten, unausgereiften Eindruck, während „Bombs Away“ den Spagat zwischen introvertiert und extrovertiert versucht.
Sechs Jahre liegen jetzt zwischen „We Must Become the Pitiless Censors of Ourselves“ und „Screen Memories“. Die Zeit dazwischen nutzte der Gelegenheits-Keyboarder von Animal CollectivePanda Bear oder Ariel Pink, um seinen Doktortitel in politischer Philosophie zu erlangen. Die neuen Schöpfungen mögen für diejenigen, die die alternative elektronische Pop-Musik der 1980er Jahre nicht bewusst miterlebt haben, aufregend, anregend oder innovativ klingen. Aber eigentlich ist das alter Wein in neuen Schläuchen. John Maus wird als intellektueller Pop-Künstler mit bizarren Ideen gefeiert, kann diesen Status mit „Screen Memories“ aber höchstens auf Sparflamme konservieren, jedoch nicht weiter ausbauen. Dazu fehlen eine besondere, zwingende melodische Raffinesse und die Abgeklärtheit eines fündig gewordenen Visionärs. Klar, seine Kreationen sind keine Durchschnittsware und sein Stil verrät Mut und profunde Kenntnisse über die Pop-Historie, aber um ein Gesamtkunstwerk zu kreieren, bedarf es eines außergewöhnlichen, einzigartig-exklusiven Konzeptes. Und das liegt hier nicht schlüssig vor.

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