Lucinda Williams - Down Where The Spirit Meets The Bone (2014)

20 neue Songs von Lucinda Williams: Ein emotional schwer lastendes Werk will entdeckt werden und belohnt mit einem intensiven, nachhaltigen Hörerlebnis.

Lucinda Williams ist zurück! Nachdem die Vorzeigefrau des Americana-Sounds ihre Karriere aufgrund von Knebelverträgen Anfang der Neunzigerjahre beinahe in den Sand gesetzt hätte, glückte ihr mit „Car Wheels On A Gravel Road“ im Jahr 1998 ein fulminantes Comeback. Danach baute sie ihren Bekanntheitsgrad mit ähnlich gelagerten, raffiniert inszenierten Country/Folk-Rock-Schöpfungen aus, musste aber weitere Schicksalsschläge (Tod der Mutter, Trennung) meistern. Jetzt meldet sie sich mit einem opulenten Doppelalbum 3 Jahre nach „Blessed“ zurück. Was zuerst auffällt ist, dass ihr schnoddriger, leidender Gesang an Klarheit und Schärfe verloren hat. Er klingt verschwommener und konturloser als sonst. Das hört sich manchmal so an, als hätte sie zu viel Spucke im Mund oder eine noch nicht überstandene zahnärztliche Behandlung hinter sich. Zuversicht strahlt sie nur wenig aus, sondern suhlt sich vorwiegend in Melancholie.
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Halt bekommt sie durch ihre fabelhaft eingespielte, kraftvolle, vielsaitige Band und die Gäste (z.B. Bill Frisell, Tony Joe White, Ian McLagan und Jakob Dylan) die für eine gute Durchblutung der Songs mit stimmungsvollen Beigaben sorgen. Die Ideen sind zumeist von erlesener Güte, so dass trotz der Betonung auf dunkle Strukturen ein sehr intensiver Höreindruck entsteht. Die elektrischen Gitarren sorgen dafür, dass das Liedgut auch in brüchigen und mutlos scheinenden Passagen immer wieder befeuert und aufgerichtet wird. Die Abstecher in Country-Soul- und Country-Rock-Gefilde („Stand Right By Each Other”, „Something Wicked This Way Comes”, „Everything But The Truth”, „Stowaway In Your Heart”) erzeugen zusätzlich innige Gefühlswallungen.
Grundsätzlich stellt sich bei Doppelalben ja immer die Frage, ob es nicht eine bessere Einzel-Veröffentlichung abgegeben hätte. Bei der neuen Lucinda Williams-Kreation bekommt man den gewollt-bedrückenden Gesamteindruck jedoch nur vollständig vermittelt, wenn das Werk so erlebt wird, wie es ursprünglich konzipiert wurde. „Down Where The Spirit Meets The Bone” ist keine leichte Kost, weil es dem Hörer emotional einiges abverlangt. Diese Anstrengung kann jedoch zu einer seelischen Reinigung führen. Die Verbundenheit mit der Musik wächst bei jedem weiteren Lauschen und auch der aktuelle Lieblingssong wechselt ständig mit der intensiveren Auseinandersetzung mit den 20 Songs. So erscheint das fast 10-minütige „Magnolia“ beim ersten Durchlauf noch unspektakulär, nachdenklich-verloren und unsicher vor sich hin zu dümpeln. Die behutsam laufen gelassenen Akkorde entfalten ihre Tiefenwirkung erst nach mehreren Hördurchgängen.

Andere Songs, wie das knackig-schleifende, trocken bluesig-rockende, an „Honky Tonk Women“ der Rolling Stones gemahnende „Protection“ gefällt sofort. Die reife Ballade „Burning Bridges“, die mit heiser-verzweifeltem Klagegesang vorgetragen wird, wärmt das Herz. Das weinend-fließende elektrische Gitarren-Solo bringt dabei zusätzlich die Seele zum Schmelzen. „West Memphis” punktet als elektrischer, langsamer, dunkel-sumpfiger Blues und schwermütiges Gospel-Feeling legt sich wie ein Schleier über „Cold Day In Hell“. Der mittelschnelle Rocker „Foolishness“ wird von auffälliger Gitarrenarbeit verziert. Slide-Einschübe, punktuell gesetzte Riffs und melodische Linien lösen sich ab und ergänzen einander. Mit klingelnden Byrds-Gitarren wurde die smarte Pop-Ballade „When I Looked At The World“ aufgewertet und „One More Day“ ist eine besinnliche, Southern-Soul beeinflusste ruhige Nummer mit milden Bläsern und in sich gekehrtem, versunkenem Gesang. 
Erst auf den zweiten Hördurchlauf kommt die filigrane Vielschichtigkeit der Kompositionen voll zu Tage. Das 11. Studio-Album von Lucinda Williams wird den interessierten Fan und Ersthörer lange beschäftigen, da es qualitativ und quantitativ einiges zu bieten hat.

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