Martin Tingvall - Distance (2015)

Martin Tingvall möchte erreichen, dass seine Musik Ruhe ausstrahlt, wodurch sich beim Hörer die Chance auf die Entdeckung neuer Perspektiven ergeben soll.
Martin Tingvall ist ein in Hamburg lebender, schwedischer Pianist, der mit seiner Musik ein grundsätzlich löbliches Konzept verfolgt. Mit „Distance“ geht er - wie er es ausdrückt - auf die Suche nach der Distanz zur Schnelllebigkeit unserer heutigen Zeit. Ein zweiter Aspekt, auf den er aufmerksam machen will, ist der Abstand, den die digitalen Medien für zwischenmenschliche Beziehungen bedeuten, weil sich Menschen durch deren Einsatz immer seltener persönlich treffen. Er möchte also mit seiner Musik einen Gegenpol zu den Entfernungen bilden, die die technologischen Entwicklungen mit sich bringen. In Island hat der versierte Pianist Inspiration für das vorliegende Album gesucht und erfahren, dass es in dem Land trotz der großen Entfernungen viel größere zwischenmenschliche Nähe gibt.
Distance - Martin Tingvall: Amazon.de: Musik
Mit seinen Piano-Solo-Einspielungen möchte Martin an legendäre Aufnahmen von Keith Jarrett („Solo Concerts: Bremen And Lausanne“) (1973) oder „The Köln Concert“ (1975)) oder Chic Corea („Piano Improvisations“ aus den Jahren 1971 und 1972) anknüpfen. Diese Einspielungen verlangen den Hörern Zeit und Muße ab, sich konzentriert mit den Tönen auseinanderzusetzen. Die Belohnung dafür war mitunter das Versinken in eine andere Welt und eine intensive Pause vom Alltag.
Ob die Kompositionen jetzt unter Klassik oder Jazz eingeordnet werden, ist dem Schweden einerlei. Wichtig ist, dass sie die gewünschte Wirkung erzielen. Und das gelingt, da die Gebilde meist romantisch-verspielt ablaufen und sich deshalb zum entspannten Zuhören eignen. Melodisch sind sie so abwechslungsreich aufgebaut, dass sie nicht unbedingt dem Esoterik-Bereich zugerechnet werden können. Die Stücke „A Blues“ und „The Hunt“ fallen temperamentvoller als der Rest aus und unterbrechen damit den wohlklingenden Ablauf.
Martin Tingvall gewinnt mit „The Distance“ keinen Innovationspreis, kann aber seine verfolgten Absichten relativ schlüssig und solide umsetzen. Der Pianist ist übrigens ein sehr flexibler Musiker. So hat er neben seinem Solo-Engagement und der Arbeit mit dem Jazz-Projekt Tingvall-Trio zu Udo Lindenbergs Album „Stark Wie Zwei“ die Kompositionen „Wenn Du Durchhängst“, „Woddy Woddy Wodka“ und „Der Astronaut Muss Weiter“ beigetragen. Außerdem schreibt er noch Filmmusik (z.B. für Til Schweigers „Zweiohrküken“ und den „Tatort“) und komponiert Werbe-Jingles.

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