Nick Cave & Warren Ellis - Soundtrack: Loin Des Hommes (2015)
Die Filmmusik zu „Loin Des Hommes“ wurde von Nick Cave & Warren Ellis emotional stark umgesetzt, kann die volle Wirkung aber wohl nur in Verbindung mit den bewegten Bildern entfalten.
Der Spielfilm „Loin Des Hommes“ (deutscher Titel: Den Menschen so fern) wurde beim Filmfestival in Venedig mit drei Goldenen Löwen ausgezeichnet. Er ist eine Adaption einer Kurzgeschichte von Albert Camus, die in Algerien des Jahres 1954 während des Unabhängigkeitskrieges spielt. Eine der Hauptrollen ist mit Viggo Mortensen (bekannt als Aragorn aus „Der Herr der Ringe“) besetzt.
Für die musikalische Untermalung wurden die Australier Nick Cave und Warren Ellis ausgesucht, die bei den Bad Seeds und Grinderman jetzt schon fast 20 Jahre zusammenarbeiten. Die Brüder im Geiste haben einen guten Ruf, wenn es darum geht, atmosphärisch dichte, zu den Emotionen passende, hypnotische Soundlandschaften zu erschaffen. Diese fallen meistens düster-experimentell aus, sind den filmischen Eindrücken aber stets auf den Leib geschnitten. Davon kann man sich unter anderem einen Eindruck bei den Filmen „The Assassination Of Jesse James By The Coward Robert Ford“ (2007), „The Girls Of Phnom Penh“ (2009) und „The Road“ (2009) machen.
Der Musik muss man sich von zwei Seiten nähern. Möchte man sich die Töne als Nick Cave-Fan erschließen, dann darf man nicht die Erwartungshaltung haben, den Künstler als Singer-Songwriter im weiteren Sinne erleben zu wollen. Es handelt sich hier nämlich ausschließlich um instrumentale Musik, die dazu dient, die Sequenzen des Filmes zu verstärken und den Betrachter in eine spezifische Stimmung zu versetzen. Der Soundtrack wird hauptsächlich durch Piano, Electronics und Geige, die mal natürlich, mal verfremdet eingesetzt wird, bestückt.
Betrachtet man die Klänge losgelöst als zweckgebundenes Medium, dann stellt sich die Frage, ob sie auch autark ohne die optische Wirkung bestehen können. Ein Soundtrack sollte auch ohne dass man die bewegten Bilder erleben muss, eine unterhaltsamen Effekt haben. Ohne Zweifel erzeugt die für „Loin Des Hommes“ erdachte Musik starke Emotionen und lässt Bilder im Kopf entstehen, denn die Künstler sind Meister im erzeugen von intimen Spannungen. Die Atmosphäre ist durchgängig melancholisch-traurig gehalten, aber die Töne sind nicht verstörend und experimentell.
Allerdings wirken die einzelnen Elemente bruchstückhaft und zusammenhanglos, es ergibt sich beim Hören kein Gesamtbild und kein durchgängiges Konzept. Das ist auch logisch, da die Szenen von verlassenen Geisterstädten, ausgedörrten Wüstenlandschaften und postapokalyptischen Kriegsgebieten eine unterschiedliche Vertonung verdient haben und auch bekommen.
Wenn die Tracks an eine Spielzeit von fünf Minuten heranreichen, erhalten sie ein Eigenleben und gewinnen an Ausdruck. Bei Dust Storm hört man keine stürmischen, sondern statisch angelegte, getragene Geräusche. Dieser Abschnitt transportiert einen wie im Slow-Motion-Verfahren vorbeiziehenden, sich langsam entwickelnden, mysteriösen Klang-Kosmos. Bei Berzina gibt es zunächst sphärische Synthesizer-Wolken, dann tropft das Piano einzelne Töne in die Szenerie. Die Ein-Ton-Geige bereichert das Stillleben um eine weitere Nuance, aber das Gebilde kommt nur langsam in Bewegung. Glasorgelähnliche Laute, versetzt mit Mellotron-Fetzen und kammermusikalische und kratzige Geigen-Einschübe prägen das Bild von Far From Men (Part 2), dem mit 5:22 Minuten längsten Track der Filmmusik.
Ohne die bewegten Bilder als Orientierung wirken die einzelnen Segmente oft skizzenhaft. Sie sind zwar für sich gesehen emotional überzeugend konzipiert, aber als Ganzes nicht aussagefähig und selbsterklärend. Das vollständige, umfassende mediale Erlebnis kann man wahrscheinlich doch nur in Kombination von Bild und Ton erleben.
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