Belle And Sebastian - The Third Eye Centre (2013)

Zweite Raritätensammlung der britischen Indie-Folk-Popper.
Das Glasgower Musikerkollektiv um Vordenker Stuart Murdoch ist eine Band mit (mindestens) zwei Gesichtern. Sie haben sich von einer zart-schmelzenden Psych-Folk-Band mit Pop-Tendenzen zu einer wohltönenden Pop-Band mit Folk-Zutaten gewandelt. Die jetzt vorgelegte Zusammenstellung mit raren Stücken, Single-Beiträgen und Outtakes beleuchtet die Zeit des Pop-Aufbruchs ab 2003. Die spannende Frage war nun, ob es sich hier um eine überflüssige Resteverwertung oder um ein schlüssiges Konzept mit veröffentlichungswürdigen Songs handelt. Nun: Das Ergebnis ist beeindruckend und qualitativ hochwertig. Um die Vielfalt vermitteln zu können, macht es Sinn, eine „Track by Track“-Vorstellung vorzunehmen.
The Third Eye Centre - Belle and Sebastian: Amazon.de: Musik
Das Album beginnt mit dem fröhlich-ausgelassenen, mit einem vielschichtigen Rhythmusteppich ausgestatteten „I`m A Cuckoo“ im Avalanches Mix. Die Umsetzung erinnert an Paul Simon’s Weltmusik-Fusionen. Das schwungvolle „Suicide Girl“ gefällt durch eine schmissige E-Gitarre, hübsch altmodische Synthesizer-Sequenzen und effektiv gesetzte, füllende Background-Chöre. Bei „Love On The March“ ist im Kern ein Bossa Nova zu vernehmen, der sich aber durch einige Eigenarten wie Mann/Frau-Duett-Lead-Gesang, einen betonten Bass-Drum-Beat und ein schönes, klares, simples Piano vom klassischen Stil absetzt.
„Last Trip“ deutet einen Rockabilly an, was sich jedoch nur als Täuschung herausstellt. Dexys Midnight Runners-Gedächtnis-Geigenarrangements und eine quirlige Slide-Gitarre sind weitere Zutaten, die diesem Track immer wieder eine überraschende Wendung geben. Bei „Your Secrets“ ist der Gesang so samtweich wie in der folkigen Frühphase der Gruppe. Der Song greift Elemente des unbeschwerten, naiven 60er-Jahre Flower-Power-Pop-Folk-Sounds auf. Einen modernen Remix von Miaoux Miaoux mit Effekten, auffälligem Beat und Disco-E-Gitarren fordert in „Your Cover`s Blown“ zum Tanzen auf.
Der gelassene, angedeutete Walzer „I Took A Long Hard Road“ überzeugt durch geschmackvolle Piano-Führung, Orgel-Einschübe und einen leicht verspielten Mittelteil. Sehr verführerischer Frauengesang bestimmt die Ballade „Heaven In The Afternoon“. Der Saxophon-Einsatz sorgt für Erdung. „Long Black Scarf“ taugt zum Chill-Out genauso wie zum verträumten Dinner zu zweit. Ein Reggae-Rhythmus bildet das Gerüst des eleganten „The Eighth Station Of The Cross Kebab House“. Als wären The Special AKA wieder auferstanden. Eine spannende Geschichtsstunde!
„I Didn`t See It Coming“ im Richard X Mix kommt im mathematisch-sterilen Dance-Pop-Gewand daher. So eröffnet man sich neue Käuferschichten! Unschuldiger, leichter Sunshine-Pop mit dezentem barocken Anstrich erwartet den Hörer bei „I Believe In Travellin` Light“ und gleitet dahin wie eine milde Sommerbrise! Männlicher Duett-Lead-Gesang, funkige Orgel-Licks und treibende Akustik-Gitarren-Riffs sind die auffälligsten Merkmale des Power-Popsongs „Stop, Look And Listen“. Sowas verlängert den Sommer! Dass Belle And Sebastian sogar Surf-Music spielen können, beweisen sie mit „Passion Fruit“. Eine typische Reverb-Gitarre übernimmt die Melodieführung, während ein Xylophon und Trompeten effektvoll auflockern.
Entspannter Gesang wird von ebensolchen Gitarren- und Pianoakkorden im angenehm fließenden „Desperation Made A Fool Of Me“ unspektakulär, aber ohne beliebig zu sein, umrahmt. „Blue Eyes Of A Millionaire“ ist noch so ein fein arrangierter Popsong, der tempomäßig und mit ausgereiftem Songwriting auf Sparflamme köchelt. An die Nervosität im hektischen „Mr Richard“ kann man sich nach so viel Wohlklang nur schwer gewöhnen. Der Song hat zwar Tempo, kann aber aufgrund seiner Sprunghaftigkeit und der nicht zünden wollenden Melodie kaum überzeugen. Ein Schnellschuss ohne Knalleffekt! „Meat And Potatoes“ hingegen ist gemächlich und kommt nicht richtig in Gang. Eine typische Single-B-Seite! Das abschließende Lied „The Life Pursuit“ ist nicht auf dem gleichnamigen Album enthalten, sondern wurde auf der „The Blues Are Still Blue“-Single vermarktet. Dieser optimistische Popsong erinnert an „Suicide Girl“, hat nur nicht solch eine zwingende Melodie. Der Synthesizer klingt (gewollt?) billig und verweist damit auf die 80er-Jahre. Muss man nicht mögen!
Fazit: Es spricht für die enorme künstlerische Potenz dieser Formation, dass sie teilweise richtig grandiose Nummern nicht auf ihren regulären Alben verwertet hat. Diese Zusammenstellung eben jener Stücke bietet variable, unterhaltsame Musik, die zum größten Teil Tiefgang und Raffinesse besitzt. Die Kopplung, die verwendeten Ideen und die Songqualität machen Spaß und Sinn. Da wartet der Hörer schon gespannt auf den nächsten Streich.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Waiting For Louise - Rain Meditation

Jahresbestenliste 2023

Lesestoff: Pop steht Kopf