Tamikrest - Chatma (2013)

Die Wüste lebt mit Tamikrest.
„Chatma“ ist ein Konzeptalbum, bei dem es sich um ein ernstes Thema dreht. „Chatma“ bedeutet Schwestern. Die Band aus Mali hat das Album dem Mut der Tuareg-Frauen gewidmet, die sowohl das Überleben ihrer Kinder, als auch den Bestand der Sitten ihrer Väter und Brüder sicherstellen. Das verlangt den Frauen seit geraumer Zeit in dem von Krieg und Krisen geschüttelten Land fast übermenschliche Anstrengungen ab. Man kann nur hoffen, dass sich die Verhältnisse bald stabilisieren werden, damit die Einwohner wieder friedlich zusammenleben dürfen und die Flüchtlinge in das Land zurückkehren können. Denn auch ein Großteil der Band lebt zurzeit im Exil in Algerien.
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Tamikrest haben sich aber trotz aller Widrigkeiten aufgrund vieler Live-Auftritte und mit der Basis von zwei gut angenommenen Vorgänger-CDs besonders in Europa einen respektablen Ruf erspielt. Hier hat man seit jeher offene Ohren für stil- oder kulturübergreifende Aspekte in der Pop- und Rockmusik entwickelt. Und mit genau solch einer Vor- und Einstellung sollte man sich dem Sound der Formation nähern. Hier werden traditionelle Einflüsse afrikanischer Musik mit westlichem Rock, Funk, Blues und Reggae fusioniert. Afrikanische Klänge sind im Gesang und bei der Rhythmik wiederzufinden. Die verwendeten westlichen Musikstile werden hauptsächlich durch die wunderbar lebendigen, sprühenden Gitarrenlinien eingebracht. Die Band tariert die Elemente so aus, dass sich der auf westliche Hörgewohnheiten geeichte Hörer schnell mit der Musik verbinden kann. Diese bietet wegen ihrer Exotik teilweise Erlebnisse von erhabener Schönheit und belebender Kreativität.
Tamikrest verstehen es, alle Lieder organisch fließen zu lassen. Die Kompositionen scheinen das Weiterkommen oder das sich nicht unterkriegen lassen wollen zu symbolisieren. Das Schmiermittel dazu bilden häufig die sich kreuzenden, miteinander kommunizierenden, präzisen Gitarren. Sie werden in zwei oder drei unterschiedlichen Spuren präsentiert und prägen das Klangbild maßgeblich. Und das sowohl bei den ruhigen wie auch bei den lebhaften Tracks.
Der Gesang findet in der Tuareg-Sprache Tamaschek statt. Es gibt männlichen und/oder weiblichen Lead- und Background-Chorgesang. Die traditionelle afrikanische Stimmrhythmik wird dabei in den Flow eingepasst. Die Verquickung der Kulturen ist beim Song „Tisnant An Chatma“ am eindrucksvollsten gelungen. Zunächst ist eine Frau zu hören, die leicht aufgeregt etwas berichtet. Eine Orgel begleitet dies mit einem Klang, als würde die Luft glühen. Die E-Gitarre erzählt darüber gelegt ihre eigene Geschichte. Dann bauen die Rhythmus-Gitarre und andere Rhythmus-Instrumente einen Gänsehaut erzeugenden Groove auf. Der wird durch eine einfache, aber bezaubernde Melodie weitergetragen. Im Mittelteil kommt eine dritte E-Gitarre hinzu, die sich phantasievoll in den Reigen einbringt. Das wird sehr anregend, cool und technisch sauber dargeboten und ist ein Beispiel dafür, wie lebhaft und abwechslungsreich diese Musik sein kann. Ganz große Klasse!
Förderer und Labelchef der Band ist Chris Eckman von den Walkabouts und Dirtmusic. Er hat für einen transparenten, glasklaren Sound gesorgt. Die Gruppe hat eine große Karriere vor sich, wenn sie sich in die richtige Richtung weiterentwickelt. Manchmal sind ihre Vorbilder nämlich noch zu offensichtlich auszumachen (Dire Straits, Pink Floyd). Aber sie sind auf dem besten Wege, sich vollständig von ihnen loszulösen.

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