The Doors - Other Voices / Full Circle (Re-Release) (2015)

Ohne Jim Morrison sind The Doors im Prinzip eine andere Band. Das belegt die Musik, die das Rumpftrio 1971 und 1972 veröffentlicht hatte.
Am 03. Juli 1971 fand man James Marshall Morrison, das Aushängeschild und die Identifikationsfigur der kalifornischen Kult-Rockband The Doors, leblos in seiner Badewanne in dem selbst gewählten Exil Paris. Um seinen Tod ranken sich bis heute Verschwörungstheorien, die von Mord oder einem inszenierten Ableben berichten. Das hält den Mythos vom unberechenbaren Künstler am Leben. Jedenfalls endete damals die sechsjährige intensive Geschichte einer der interessantesten, eigentümlichsten, einflussreichsten und intensivsten Formationen der Rock-Geschichte. Wenn man die Gruppe in Originalbesetzung mit dem charismatischen, im Laufe der Jahre zunehmend egomanisch agierenden Jim Morrison in Bild oder Ton erlebt hat, dann verbindet man einzig und alleine dieses kompakte Gebilde mit dem Bandnamen.
Deshalb waren auch alle Bemühungen von Ray Manzarek (Keyboards), Robbie Krieger (Gitarre) und John Densmore (Drums), das Phänomen der Band nach dem Tod von Morrison wieder aufleben zu lassen, von vornherein zum Scheitern verurteilt. Egal, ob sie mit Ian Astbury von The Cult einen starken Ersatz-Sänger gefunden hatten und unter dem Namen The Doors Of The 21st Century auf Tournee gingen oder ihr Glück zu Dritt versuchten. Das taten sie mit „Other Voices“ (1971) und „Full Circle“ (1972). Morrisons Mitstreiter wussten natürlich von ihrem Anteil am Erfolg und hofften deshalb, an die Verehrung der Vorjahre anknüpfen zu können. Schließlich ermöglichten es die versierten Instrumentalisten, dass der selbsternannte Lizard King bei seinen Ein- und Ausfällen flexibel begleitet wurde. Sie schufen einen unverwechselbaren, manchmal bizarr schillernden und kraftvoll auftrumpfenden Soundteppich, der die Erdung und künstlerische Plattform für ihren Leitwolf bildete. Aber sie machten den Fehler, ihre Bemühungen unter dem Markennamen und Gütesiegel The Doors laufen zu lassen. Bessere Chancen für einen Neuanfang hätte definitiv ein neuer Band-Name geboten. So wie es Densmore und Krieger zusammen mit dem großartigen Sänger Jess Roden 1974/75 mit der Butts Band probiert haben.
Die Erwartungshaltung der Fans war, dass die bekannten Schwingungen weitergeführt würden. Stattdessen kamen die Rest-Doors mit einem teilweise runderneuerten Klang daher, den so niemand erwartet hatte. Aus heutigem Blickwinkel betrachtet halten sich Licht und Schatten, Innovation und Nachlassverwaltung hier in etwa die Waage. Gleich der erste Track auf „Other Voices“ („In The Eye Of The Sun“) deutet an, dass die überlebenden Doors grundsätzlich in der Lage waren, alte Tugenden mit neuen Strömungen zu verbinden. Der Track spiegelt den Westcoast Sound wider, den etwa „Riders On The Storm“ ausgemacht hat, und überführt ihn in einen groovigen Swing, der energisch dargeboten wird. Bei zwei Songs setzt das Trio auf die belebende Wirkung des Latin-Sounds („Ships W/Sails“, „Hang On To Your Life“), was dann wie eine Fusion mit Santana klingt. Gut steht ihnen, wenn sie den Blues in einen treibenden Boogie überführen. Das praktizieren sie bei „Tightrope Ride“, das sich wie ein Outtake von „Morrison Hotel“ anhört und bei „I`m Horny, I`m Stoned“, das auch gut zu den Tracks von „Waiting For The Sun“ gepasst hätte.
The Doors: Other Voices / Full Circle (2 CDs) – jpc
„Full Circle“ hat fünf erwähnenswerte Tracks. „The Verdict“ spielt mit einem dunklen Funk-Muster, das auf R&B-Wurzeln basiert. Jazzige Latino-Rhythmen sorgen dabei für zusätzliches Knistern. The Doors setzen hier auf ihre alten Qualitäten und veredeln diese bei „The Piano Bird“ mit lockeren Karibik-Rhythmen. Bei „It Slipped My Mind“ bereichern sie ihren Rock & Roll mit beschwingten Rhythmen und das flotte „The Peking King And The New York Queen“ wird durch Cabaret-Einlagen aufgelockert. Mit dem Pop-Gospel „Get Up And Dance” haben sie sich selbstbewusst ihren Weg in den Mainstream geebnet.
Bei den nicht genannten Songs handelt es sich hauptsächlich um gescheiterte Versuche, die Vergangenheit aufleben zu lassen oder einfach um Arbeiten von minderer Qualität. Als Fazit lässt sich immer noch feststellen: Auch wenn Robbie Kriegers Gitarrenstil einzigartig ist, Ray Manzarek den Doors-Orgel-Groove kultiviert hat und John Densmore ein großartiger, einfühlsamer Schlagzeuger ist, ohne Jim Morrison sind diese Vollblutmusiker nur die Hälfte wert. Für diese Neuauflage wurden die Stücke klanglich überarbeitet und der Bonus-Track „Treetrunk“ (B-Seite der Single „Get Up And Dance“) hinzugefügt.



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