Cäthe - Vagabund (2015)

Cäthe kann mit Deutsch-Pop, der seine Inspiration aus der Woodstock-Generation schöpft, gefallen.
Bevor Catharina Sieland beschloss, unter dem Deckmantel Cäthe Profimusikerin zu werden, hatte sie sich mit etlichen Jobs, die einen Einblick in das wahre Leben ermöglichen, über Wasser gehalten. Um kompromisslos ihren Weg gehen zu können, hat sie es auf sich genommen, in einem Sex-Shop zu putzen, Crêpes zu verkaufen und Möbel abzubeizen. Da sie sich auch bei der Umsetzung ihrer Musik nicht reinreden lässt, wurden alle Songs ihres dritten Solo-Albums entgegen der üblichen Vorgehensweise live im Studio eingespielt.
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Die Zweiunddreißigjährige hat in ihrer Laufbahn schon einige Preise und viel Lob eingeheimst. So hält Ina Müller sie für die beste Sängerin Deutschlands und lud sie schon 2011 als singenden Gast in die Fernseh-Show „Inas Nacht“ ein. Das Segment, in dem Cäthe tätig ist, gilt als ziemlich abgegrast. Trotzdem behauptet sich die in Berlin lebende Künstlerin aufgrund ihrer Vielseitigkeit und ausdrucksstarken Stimme. Egal, ob der Gospel-Blues von Inga Rumpf anklingt („Die Zu Werden Die Wir Sind“) oder intellektuell geprägter Folk-Rock, der an Ulla Meinecke denken lässt („Junge Aus Sand“), ertönt, Catharina ist anpassungsfähig genug, um in unterschiedlichen Mustern zu Hause zu sein. Sie nutzt hilfreiche Vorlagen als Anknüpfungspunkte, packt aber jede Menge Eigenständigkeit in ihre Lieder. Die ideenreichen Arrangements, die vom Produzenten Stephan Gade - der auch mit Niels Frevert zusammenarbeitet - in Szene gesetzt wurden, tragen dazu bei, dass im Verlauf keine Eintönigkeit aufkommt.
Da gibt es auch schon mal ein Orgel-Intermezzo, das an „Like A Rolling Stone“ von Bob Dylan erinnert („Glaub Mir, Honey“) oder eine Gesangseinlage, bei der sich die leidenschaftliche Sängerin wie ein weiblicher Rio Reiser anhört („Vagabund“). Schlagerhafte Zwischentöne hört man bei „Unter Palmen“. Begleitet wird das Lied von einer Stimme, die selbstbewusst und prägnant wie die von Chrissie Hynde (Pretenders) ist. Cäthe kann ihre kraftvollen Töne allerdings auch soweit runterfahren, dass sie für intime Momente die passenden Schwingungen aussendet („Stille Demut“).
Die Texte sollen autobiographische Züge tragen, was aber nicht unbedingt offensichtlich ist. Die Inhalte werden poetisch ausgekleidet und entweder konkret ausgesprochen, wie bei der komplizierten Vater-Tochter-Beziehung in „Foto Im Portemonnaie“ oder leicht verschlüsselt dargestellt. Das kann man bei den Anleitungen zur Selbstfindung, die in „So Oder So“ und „Die Zu Werden Die Wir Sind“ angeboten werden, nachvollziehen. Die Zusammenführung von Text und Musik sowie der Transport der Inhalte funktioniert meistens, denn der Hörer kann sich schnell auf die Aussagen einlassen. Nur „Yeah Yeah“ hört sich textlich und musikalisch unausgereift an.
Die Musik der Woodstock-Generation hat die Jugendjahre von Catharina Sieland geprägt. Jetzt hat Cäthe diese frühen Erkenntnisse in ihre Lieder einfließen lassen. Im Deutsch-Pop hat sie dadurch eine Nische gefunden, die die Musikerin als gestandene, ernstzunehmende Singer/Songwriterin ausweist, aber auch als Bereicherung für das Mainstream-Radio empfiehlt.

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