Chris Stamey - Euphoria (2015)

Zurück zu den Wurzeln. Chris Stamey besinnt sich auf seine Power-Pop-Vergangenheit mit den dB`s.
„Euphoria“ macht seinem Namen alle Ehre. Im Vergleich zu dem kammermusikalischen, melancholischen „Lovesick Blues“ aus 2013 ist die aktuelle Musik von Chris Stamey leidenschaftlicher und hat oft ein höheres Tempo. Stamey dockt damit an seine Power-Pop-Vergangenheit bei The dB`s an. Nur „Make Up Your Mind“ und „You Are Beautiful“ tragen den Schwermut des Vorgängers weiter. „Euphoria“ lebt durch den Einsatz der elektrischen Gitarre, meint der Singer/Songwriter aus North Carolina zu der Gefühlswelt, die ihn mit seinem neuen Album verbindet. Im Raum zwischen den Noten und im Abstand zwischen den Bünden findet er einen Ort der Freiheit, der Leidenschaft und des Hochgefühls.
Euphoria | Chris Stamey
Die musikalische Rückbesinnung bezieht sich teilweise auch auf die Auswahl seines Begleitpersonals. So wurden die Aufnahmen von seinem alten Freund Mitch Easter betreut, mit dem er schon vor den dB`s in der Formation Sneakers zusammengearbeitet hatte. Außerdem hört man Eric Marshall am Schlagzeug, der bei Let`s Active getrommelt hatte. Das war die Band von Mitch Easter, in der Faye Hunter - eine Freundin von Chris - Bass spielte. Faye starb 2013 und Chris möchte mit dem Song „Invisible“ an sie und ihre Musik erinnern.
Auch der Opener „Universe-Sized Arms“ hat eine spezielle Geschichte. Es handelt sich um einen brandneuen Ryan Adams-Song, den dieser ohne Kommentar an Chris geschickt hat. Dieser nutzte die Freiheit, die Ausgestaltung unbeeinflusst nach seiner Vorstellung zu interpretieren. Nach seiner Meinung hört er sich jetzt wie eine Kreuzung aus dem Sound von Pink Floyd während der Syd Barrett-Phase und einem vergessenen Psychedelic Furs-Song an, der mit Streichern und Bläsern so präpariert wird, wie „Live And Let Die“ von den Wings.
Aus dieser Selbsteinschätzung wird klar, was Chris Stamey noch bei der Konzeption von „Euphoria“ umgetrieben hat. Der erwachsene Pop der Beatles spielt wieder eine große Rolle und hier speziell die Alben „Revolver“, „Sgt. Pepper`s Lonely Hearts Club Band“ und „Magical Mystery Tour“. Bei dieser Gelegenheit verneigt er sich auch noch einmal würdevoll vor dem großen Pop-Exzentriker Andy Partridge von XTC. „Awake In The World“ erinnert mit seinem exotischen Hippie-Pop an dessen psychedelisches Projekt The Dukes Of Stratosphear. Ruppig-heftigen Garagen-Rock mit lodernden Gitarren hörte man von Mr. Stamey zuletzt 2005 auf „A Question Of Temperature“, das er zusammen mit Yo La Tengo einspielte. An diese Stimmung knüpft er gewissermaßen mit „When The Fever Breaks“, „Rocketship“ und „Euphoria“ an.

Der nachdenkliche Musiker macht darauf aufmerksam, dass sich seine neuen Songs womöglich bei oberflächlicher Betrachtung einfach konstruiert anhören mögen. Durch die Anwendung von verschobenen Akkordwechseln erreicht er aber ungewöhnliche klangliche Effekte, die erst bei konzentriertem Zuhören richtig auffallen. Diese Technik hat er sich bei George Gershwin und Cole Porter abgehört.
„Euphoria“ ist auch deshalb so spannend und vertraut zugleich, weil Chris trotz Retro-Gedanken kein nostalgisches Album aufgenommen hat. Er nutzt seine Stärken für den Aufbau eines belastbaren Fundaments und reichert seine Songs durch moderate Weiterentwicklungen so an, dass sie wieder abenteuerlich und frisch klingen. Die neueste Chris-Stamey-CD ist deshalb mal wieder seine vorerst beste Arbeit geworden.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Waiting For Louise - Rain Meditation (2023)

Lost & Found: Songs To The Siren „2019“: Das Erbe von Tim Buckley und The Velvet Underground wird am Niederrhein betreut.

Lesestoff: Günter Ramsauer - Schlag Worte Schmerz (2024)