Jack White - Lazaretto (2014)

Das zweite Soloalbum des fleißigen Ex-White-Stripes-Chefs.
Nach dem Ende der White Stripes ist es für Jack White nicht ruhiger geworden. Neben einigen Bandprojekten wie den Raconteurs oder Dead Weather unterhält er auch noch das Vinyl-only-Label Third Man. Und dann investiert er außerdem viel Zeit, um andere Künstler zu produzieren. Seine erste Veröffentlichung unter eigenem Namen war „Blunderbuss“ aus dem Jahr 2012 und jetzt folgt der zweite Streich.
Er sei ein sehr talentierter Mann, behauptet kein geringerer als Neil Young, der jüngst in Jacks historischem Ton-Studio von 1947 (einer Art Telefonzelle) ein Album aufgenommen hat („A Letter Home“). Jack White ist ein umtriebiger und vielseitig interessierter Musiker und Produzent. Sein Engagement für den Film „Cold Mountain“, die Aufnahme des James Bond-Songs „Another Way To Die“ mit Alicia Keys und die Produktion der Country-Lady Loretta Lynn sind nur wenige Beispiele für seine Aktivitäten außerhalb der Solo-Karriere.
Lazaretto - Jack White: Amazon.de: Musik
Jack möchte auch gerne mit den Rolling Stones ein dreckiges Blues-Album aufnehmen. Mit „Just One Drink“ und „Three Women“ vom aktuellen Werk gibt er seine Visitenkarte für dieses Vorhaben ab. Die Songs klingen wie Outtakes aus der Stones-Ära mit dem Produzenten Jimmy Miller. Er betreute die Alben „Beggars Banquet“, „Let It Bleed“, „Sticky Fingers“ und „Exile On Main St.“ und ließ Jagger, Richards & Co. damit wieder zu ihren Wurzeln zurückfinden.
„High Ball Stepper“ ist eine wuchtige, verzahnt ablaufende Instrumentalnummer mit auffälligem Intro, bei der man sich wünscht, es würde dazu gesungen werden. Der Song ist mächtig wie ein Led Zeppelin-Klassiker und er wird durch spitze, gellende Gitarrensalven angetrieben. Genauso funktioniert auch der Titeltrack, dieses Mal aber mit Gesang und Geigen-Solo. White liebt den Blues, den er zerrt, dehnt und dabei minimalistisch oder brutal ins Hier und Jetzt transferiert. Er hat den Blues-Rock wieder salonfähig gemacht und ihm den muffigen Beigeschmack von „Alter-Männer-Mucke“ genommen, den er im Laufe der Jahre bekam. Jetzt schmeckt er wieder nach Schweiß und Tränen.
Feinsinnig verführt uns Jack mit den Country-Folk-Nummern „Temporary Ground“ und „Entitlement“. Eine schmachtende Fiddle, sehnsüchtige Steel-Guitar-Einlagen, gefühlvolle Akkorde auf der akustischen Gitarre und klimpernde Bar-Piano-Zutaten sorgen für ein authentisches ländliches Lebensgefühl. „I Think I Found The Culprit” hat die gleiche Basis, ist aber im Mid-Tempo-Bereich angesiedelt und bekommt eine rockigere Ausrichtung. „Alone In My Home” bewegt sich leicht, beschwingt und unkompliziert. Das ist der Pop-Hit der Platte.
Jack White hat immer noch nicht das absolute Meisterwerk geschaffen, zu dem er aber in der Lage ist. Mit „Lazaretto“ ist er diesem Ziel jedoch ein gutes Stück näher gekommen. Manchmal gibt es aber Abzüge in der B-Note. So kann das unentschlossene, überambitionierte „Would You Fight For My Love“ melodisch nicht überzeugen. Außerdem wirkt die Integration des opernhaften Background-Gesangs zu aufgesetzt und bemüht. Nicht ausgegoren klingen auch die Funk-, HipHop- und Reggae-Zitate bei „That Black Bat Licorice“. Nur mit Piano-Begleitung und Duett-Gesang kommt der Abschluss-Track „Want And Able“ aus. Er ist betont durchsichtig wie ein Kinderlied aufgebaut und wird von gesampeltem Krähengeschrei eingeleitet.
Im Fernduell mit Dan Auerbach von den Black Keys um den Thron des innovativsten Umgangs mit Retro-Sounds im Blues-Bereich dürfte es aufgrund der logischen und stimmigen Weiterentwicklung seit „Blunderbuss“ jetzt mindestens unentschieden stehen.
Für Vinyl-Liebhaber hat Jack noch etwas ganz besonderes zu bieten. Bei der sogenannten Ultra-Version sind noch zwei Tracks versteckt, die nur zu hören sind, wenn die LP auf 45 oder 78 Runden pro Minute abgespielt wird. Außerdem läuft Seite A von innen nach außen. Der Eröffnungstrack der B-Seite („Just One Drink”) beginnt je nachdem, wo man die Nadel aufsetzt, mit einem elektrischen oder akustischen Intro. Außerdem hat die Platte noch eine optische Raffinesse: Wer sie in einem speziellen Winkel anschaut, sieht ein Hologramm eines sich drehenden Engels. Enorm viel Innovation für solch eine alte Technik.



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