Jonathan Wilson - Fanfare (2013)
Die zweite Solo-Arbeit des kalifornischen Musikers und Produzenten festigt seine Ausnahmestellung in der psychedelischen Folk- und Country-Rock-Szene.
Als Jonathan Wilson im Jahre 1974 geboren wurde, hatten die Künstler, auf die er sich hauptsächlich bezieht, schon fast alle ihren kreativen Zenit überschritten. Er hat den Sound der psychedelischen Musik, ob nun mit Folk- und Country-Rock versetzt oder sphärisch verklärt, förmlich in sich aufgesogen. Entsprechend hält er für den Hörer, der mit solchen Klängen groß geworden ist, ein Kaleidoskop an Assoziationen bereit.
Erste musikalische Gehversuche unternahm Jonathan 1997 als Gründer der Band Muscadine, die auf ihrer einzigen Platte „The Ballad Of Hope Nicholls“ oft schwerblütig dröhnenden Indie-Rock spielte. Wesentlich gereifter zeigte er sich dann vor zwei Jahren mit „Gentle Spirit“ (2011) unter eigenem Namen. Hier bündelte er alle seine Talente zu einem schillernden musikalischen Trip.
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Mit der neuen Veröffentlichung beweist er erneut sein Können und setzt seinen mit „Gentle Spirit“ eingeschlagenen Weg konsequent fort. Das Album beginnt mit dem Stück „Fanfare“ sinfonisch und relativ bombastisch.
„Dear Friend“ eröffnet dann mit einschmeichelnden Beach Boys-Harmonien. Nach einem Break entschwebt der Song, getrieben durch intuitive Gitarrenimprovisationen, in einen bunt schimmernden Nebel. Pink Floyd trifft dabei auf Grateful Dead. Bei diesen ersten beiden Tracks von „Fanfare“ verschwimmt die Grenze zwischen blumig verspieltem Psychedelic-Rock und vertracktem, komplexem Progressive-Rock. Der nächste Titel („Her Hair Is Growing Long“) zeigt Parallelen zu den verwinkelt und mystisch aufgebauten Kompositionen eines David Crosby. Es wird eine intime Atmosphäre aufgebaut, die im Laufe des Stücks durch Erhöhung des Tempos aufgelöst wird.
Handfester wird es dann mit dem Country-Rock-Song „Love To Love“. Hier zitiert Wilson seine Schützlinge, die kalifornischen Dawes. Als Produzent dieser Band hat er gezeigt, dass er genau weiß, wie man Country-Rock auch heute noch aufregend und hochemotional klingen lassen kann. „Future Vision“ kombiniert Schwebe-Klänge und rückwärts laufende Gitarren-Salven mit Beatles-Harmonien. Als Basis dienen Hintergrundgesänge, die wie ein Gospel-Chor eingesetzt werden, sowie ein locker groovender Shuffle-Rhythmus. Diese Kombination sorgt für einen anregenden Sound-Mix für Herz und Hirn.
„Moses Pain“ zeigt Mr. Wilson als dylanesken Erzähler, der diese Arbeit mit einer George Harrison-Gedächtnis-Gitarre schmückt. Rollende Hammond-Orgel-Schübe sorgen für eine satte Grundierung und ein mächtiges Grand-Piano adelt diese gehaltvolle sechsminütige Komposition. Obwohl der Track „Cecil Taylor“ nach dem Free-Jazz-Pianisten benannt ist, gibt es hier nichts Atonales zu hören, im Gegenteil. Es handelt sich um einen erstklassigen, ausgeklügelten, lässigen Folk-Rock mit prächtigem mehrstimmigem Gesang und filigranen Akustik-Gitarren.
Jonathan Wilson baut auf Stimmungsvielfalt. Nach einem gebremsten Rocker mit verschlepptem Rhythmus („Illumination“) folgt ein zurückhaltender Folk-Song mit ausgeprägt beschwörendem Background-Gesang („Desert Trip“). „Fazon“ ist dann wieder ganz anders. Man wird durch jazzige Bläser und Funk-Gitarren überrascht, die das Lied exotisch und lasziv begleiten. Und „New Mexico“ steigert sich von einem introvertierten Song-Gebilde langsam zu einem dynamischen Folk-Jazz mit furiosem, irritierendem Querflöten-Solo. Der Text diese Liedes stammt vom Art-Folk-Barden Roy Harper, dessen neueste Veröffentlichung „Man & Myth“ teilweise von Jonathan Wilson produziert wurde.
Es bleibt überraschend: „Lovestrong“ wird behutsam aufgebaut. Piano und Geige begleiten den nachdenklichen Gesang, bevor ein E-Gitarren-Solo die melancholische Stimmung mehr und mehr zerschneidet. Mit „All The Way Down“ schließt das Werk sehr zurückhaltend ab. Der Song scheint fast still zu stehen. Selbst ein Orchester steuert nur wenig Dynamik bei. Das ist sehr gediegen, was für weite Teile der Platte gilt.
Sind die ersten beiden Tracks noch etwas zu verspielt geraten, so zeigt Jonathan Wilson danach, wozu er in der Lage ist. Er ist ein Mann mit einer Vision. Er bringt außergewöhnliche Stimmungen und individuelle Eingebungen mit ambitionierten Songideen zusammen. So verwöhnt er den Hörer, der sich auf eine musikalische Entdeckungsreise begeben möchte, mit einer abwechslungsreichen Klangwelt. Bei der Ausführung seiner Kreationen wird Jonathan von namhaften Größen wie David Crosby, Graham Nash und Jackson Browne sowie Mike Campbell und Benmont Tench von Tom Pettys Heartbreakers begleitet.
Jonathan Wilson versucht fremde Eindrücke, die ihn inspiriert haben, mit seinen eigenen klanglichen Vorstellungen zu verschmelzen. Er lernt von seinen Vorbildern, ist aber bemüht, seinen eigenen Weg zu gehen. Bei diesem öffentlichen Lernen hat er wieder einen großen Schritt nach vorne gemacht. Man darf gespannt sein, was er als nächstes vorhat. Seine Musik schürft zwar tief in den Sounds der 60er- und 70er-Jahre, man muss aber kein Hippie sein, um daran Gefallen zu finden!
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