Mark Lanegan - Imitations (2013)

Der Meister der Düsternis gewährt uns einen Überblick über seine Lieblingssongs und interpretiert diese so, als hätte er sie selbst verfasst.
Er muss ein verdammt harter Typ gewesen sein, als er noch Chef der Grunge-Rocker Screaming Trees aus Seattle war. Denn man erzählt sich, er habe bloß aufgrund seiner Erscheinung einigen Leuten mächtig Angst eingeflößt. Das mag man gar nicht glauben, wenn man Mark Lanegans oft feinsinnige, introvertierte, gefühlvolle Solo-Arbeiten im Ohr hat. Zwar drückt sein gegerbter, herber Bariton Lebenserfahrung und Lebensleid aus, aber der ehemals wütende Shouter wirkt meistens relativ entspannt und milde.
Mark Lanegan - Imitations. CD. Heavenly Recordings.
Sein vorliegendes Cover-Versionen-Album zeigt den in letzter Zeit sehr fleißigen Komponisten und Sänger wieder von seiner intimen, sparsam instrumentierten, eindringlich vortragenden Seite. Das vermittelt schon das wie eine Traueranzeige aufgemachte Cover. Kindheitserinnerungen haben Mark zu dieser Platte inspiriert. Seine Eltern und deren Freunde hörten Schallplatten von Andy WilliamsDean Martin, Frank Sinatra, Perry Como und viel Country Music. Ihn berührten aus dieser Auswahl die traurig klingenden Lieder mit Streicherbegleitung. Sein aktuelles Album soll das Gefühl, das er damals beim Hören empfand, in die Gegenwart transportieren. Er interpretiert hier einige Lieder aus der Vergangenheitserinnerung und füllt das Album mit Songs auf, die er später zu lieben lernte. Das erstaunliche ist, er macht sie sich so zu Eigen, dass sie wie aus seiner Feder klingen.
„Flatlands“ eröffnet mit ständig wiederholtem Akustik-Gitarren-Picking. Der melancholische Aspekt wird später noch durch schwermütige Streicher verstärkt. Auch bei „She`s Gone“ kommt kein Frohsinn auf, wie der Titel schon vermuten lässt. Ein federndes Schlagzeug und ein perlendes Vibraphon sorgen für ein wenig Auflockerung. Die Depressionen von „Deepest Shade“ werden zum Greifen intensiv vorgetragen. Aus dem James Bond-Thema „You Only Live Twice“ macht Mark Lanegan einen dunklen Grabgesang.
„Pretty Colours“ klingt wie eine verschollene Ballade von Billie Holiday, wurde aber mal von Frank Sinatra gesungen. Das Vibraphon gibt diesem Song einen zusätzlichen verführerischen Anstrich.
„Brompton Oratory“ ist im Original von Nick Cave, Mark`s Bruder im Geiste. Die beiden sollten unbedingt mal zusammen etwas aufnehmen! Gemeinsam auf Tournee in Australien sind sie ja schon. „Solitaire“ erinnert in seiner Langsamkeit an die Sensibilität von dunklen Scott Walker-Seelengesängen, ist aber im Original von Andy Williams. Das Brecht/Weill-Lied „Mack The Knife“ wurde schon von vielen Musikern interpretiert. Mark Lanegan nimmt ihm das Spröde. Er vertont es als einsamer Erzähler.
Die erste Single „I´m Not The Loving Kind“ zeigt vermutlich Selbsterkenntnis und bestätigt inhaltlich die einführenden Worte zu diesem Artikel. Mark Lanegan gibt den Song mit relativ heller Stimme und Stimmung zum Besten. Die Melodie von John Cale ist sowieso unverwüstlich. Bei „Lonely Street“ ist der Name Programm und „Elégie Funèbre” singt Mark in Französisch, was ihm offenbar nicht so liegt. Der letzte Song „Autumn Leaves“ ist herbstlich eingefärbt und verkörpert damit die gesamte Atmosphäre des Albums.
Die Platte ist von einer schwermütigen Aura umgeben, die glaubwürdig und eindringlich vermittelt wird. Das ist ja seit jeher eine Spezialität des 48-Jährigen. Er überzeugt durch seine markante Stimme und die luftig-düsteren Arrangements. Besonders ist dabei der geschmackvolle Einsatz der Streicher hervorzuheben. Sie kleben die Songs nicht mit einer schweren Süße zu, sondern unterstreichen die dunklen Momente wirkungsvoll. Der Meister der Tristesse hat wieder ein starkes Werk erschaffen. Möge er nie Grund zur Fröhlichkeit haben. Die Musik ist jedenfalls genau die richtige Einstimmung auf den beginnenden Herbst.

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