Roy Harper - Man & Myth (2013)
Das erste neue Studioalbum der lebenden Legende seit 13 Jahren.
Der Name Roy Harper dürfte heute nur noch wenigen Eingeweihten ein Begriff sein. Dabei ist der Mann eine lebende Legende: Zu seinen Bewunderern gehört seit jeher Jimmy Page von Led Zeppelin, der ihn auch auf einigen seiner Solo-LPs begleitet hat. Led Zeppelin haben ihre Verehrung im Song „Hats Off To Harper“ von „Led Zeppelin III“ (1970) ausgedrückt. David Gilmour von Pink Floyd lud ihn ein, bei „Wish You Were Here“ den Part „Have A Cigar“ zu singen. Außerdem übte er großen Einfluss auf Ian Anderson von Jethro Tull aus und Kate Bush hält ihn für einen der begabtesten Komponisten Englands.
Roy hat seine Wurzeln im Folk und im Blues, hat sich aber schon früh als Rebell positioniert und mit dem Musikgewerbe gehadert. Er hielt eine Menge der Musik seiner Zeit für zu harmlos und prangerte an, dass es zu viele Kollegen gäbe, die Angst davor hätten, in ihren Texten die Wahrheit zu sagen. Seine Wut hatte sich durch seine problematische Biografie aufgestaut und suchte ein Ventil, das er in der Musik fand. Seine Stiefmutter, eine Zeugin Jehovas, habe ihn als Kind durch ihren fanatischen Glauben fast wahnsinnig gemacht, wird er zitiert. Aus Frust ging er dann mit 15 Jahren zur Luftwaffe und als er dies als Irrtum erkannte, spielte er den Irren, um wieder entlassen zu werden. Daraufhin wurde er in Heilanstalten eingewiesen, wo man ihn mit Elektroschocks und Schlägen quälte.
Seine Anerkennung hat sich der intensive Sänger mit der außerordentlichen Gitarrentechnik dann ab 1966 durch seine unangepassten Art-Folk Werke erworben. Bis heute hat er seinen Ruf mit über 20 Studio-Arbeiten, etlichen Live-Aufnahmen und einigen Zusammenstellungen gefestigt. Sein Repertoire reicht von traditionell ausgerichteten Folk-Songs über besinnliche, herzerwärmende Liebeslieder bis hin zu zynischen, ausufernden Epen, die beißenden Spott austeilen.
Auch heute hat Harper in der aktuellen Musikszene Förderer und Bewunderer. Dazu gehören die Harfenistin Joanna Newsom genauso wie der kalifornische Musiker und Produzent Jonathan Wilson. Der Mann mit dem richtigen Riecher dafür, wie psychedelische Folk- und Rockmusik klingen muss, hat vier der neuen Harper-Songs in seinem Studio im kalifornischen Laurel Canyon aufgenommen.
Das neue Album zeigt den Zweiundsiebzigjährigen als altersweisen Protestsänger, der seine Talente noch voll abrufen kann. Er zeigt sich abgeklärt, aber trotzdem kämpferisch. Die Songs werden manchmal anklagend, manchmal ergreifend vorgetragen. Sein Individual-Folk ist immer noch unangepasst und die Kompositionen sind oft melodisch komplex aufgebaut.
„The Stranger“ zeigt ihn vertrackt und geheimnisvoll. Er verdreht und verschachtelt diesen Track, wie man es sonst nur von Art-Rock-Ikone Peter Hammill kennt.
In „Cloud Cuckooland“, einem sarkastischen gesellschaftskritischen Song, übernimmt Pete Townshend von The Who die Lead-Gitarre. Mit „Heaven Is Here/The Exile“ hat er wieder einen verwinkelten, über 23 Minuten langen, kompliziert aufgebauten Song geschrieben. Den hätte man in dieser Form eher von einer Progressiv-Rock-Band als von einem Folk-Sänger erwartet.
Unterm Strich ist dem alten Recken ein gutes Album gelungen, das seine Fans zu würdigen wissen werden. Auch wenn es nicht an die Klasse seiner Referenz-LPs „Stormcock“ (1971) oder „HQ“ (1975) heranreicht. Neue Anhänger wird er wohl nur schwer hinzugewinnen, da seine Darbietungen nach wie vor keine leichte Kost sind. Es ist aber schön, dass er noch aktiv sein kann, denn es gibt viel zu wenige Querdenker wie ihn in der Musik.
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