Father John Misty - I Love You, Honeybear (2015)

An den zweiten Streich von Father John Misty alias Joshua Tillman muss man sich erst gewöhnen. Dann aber macht das schleichende Gift der luxuriös ausgestatteten Aufnahmen nachhaltig abhängig.
Father John Misty ist Josh Tillman, der sich schon als sensibel-trauriger Song-Poet und früherer Schlagzeuger der Fleet Foxes einen Namen gemacht hat. Nicht nur rein optisch tritt der Barde unter seinem neuen Künstlernamen vom Schatten ins Licht. Zierten stets triste Schwarz-Weiß-Cover seine introvertierten Solo-Alben unter eigenem Namen, so sind die Bilder auf den Father John Misty-Veröffentlichungen farbenfroh, nahezu quirlig bunt. Fast wie Hippie-Illustrationen aus den 60er-Jahren. Dort liegen auch die Wurzeln seiner neuen Schöpfungen, die zwar nicht vor Lebensfreude sprühen, aber auch in den vielen melancholischen Momenten nicht an Zuversicht und Stärke verlieren.
I Love You, Honeybear | FATHER JOHN MISTY
Beim Opener „I Love You, Honeybear” werden ausschweifend und schwelgend große romantische Gefühle ausgebreitet. Hier wird nicht gekleckert, sondern geklotzt. Beach Boys-Harmonien stützen unter Einbeziehung eines Streichorchesters und Verwendung von Steel-Guitar-Schüben die dick aufgetragene Fassade. Die Melodie bleibt zunächst kaum hängen und der Hörer wird wortreich eingedeckt, aber man kann sich trotzdem der Wirkung der Stimme, die eine bedrückende, aber dennoch trotzige Wehmut verbreitet, kaum entziehen. Ist Josh Tillman womöglich der neue Frank Sinatra?
Der Song mit dem hüftsteifen Titel „Chateau Lobby #4 (in C for Two Virgins)“ kommt lieblicher und instrumental aufgelockerter daher als der Vorgänger und erinnert aufgrund des Mariachi-Trompeten-Einsatzes ein wenig an den raumgreifenden Sound von Calexico. Der Erzählstil erinnert dabei jedoch eher an Rufus Wainwright. So richtig warm wird man beim ersten Hördurchgang noch nicht mit der Musik, da sich das Vorgehen bei „True Affection“ schon wieder ändert: Hier trifft eine Beat-Box auf einen mondänen Chor. Gemischtwarenladen möchte man rufen, unausgewogen kommt als Adjektiv in den Sinn.
Aber was dann in den Tracks vier bis acht abläuft, verschlägt einem teilweise den Atem. Man findet Arrangements wie aus dem Lehrbuch. „Nothing Good Ever Happens At the Goddamn Thirsty Crow“ ist psychedelisch verschroben, aber dennoch Roots-verbunden. Die Balladen „The Night Josh Tillman Came To Our Apt.” und „When You’re Smiling And Astride Me“ sind edel, weiträumig und erhaben. Sie gemahnen an die visionären Geniestreiche auf Gene Clark`s „No Other“. So etwas Erlesenes kann nur durch vorzügliche Inspirationen oder unter dem Einfluss bewusstseinserweiternder Drogen zustande gekommen sein. Skurrile, aber homogene Songeinfälle gibt es zu Hauf. Solche, wie man sie nur von den ganz großen Individualisten geboten bekommt, werden hier lückenlos aneinander gereiht. Mit „Strange Encounter“ geht es mit hochattraktivem Psychedelic-Pop in Richtung Hippie-Seligkeit. „The Ideal Husband“ macht mächtig Alarm und gerät völlig außer Rand und Band. Das Lied ist druckvoll, windet sich spiralförmig in die Stratosphäre und Father John Misty gebärdet sich dazu wie ein manischer, durchgeknallter Prediger.
Produziert wurde dieser Trip wieder von Jonathan Wilson, der auch schon die erste Metamorphose von Josh Tillman betreute („Fear Fun“, 2012). Der kalifornische Mentor und Musiker ist der Mann für die besonderen Töne und Stimmungen im Umfeld von Psychedelic- und Country-Folk-Rock. Die Songs auf „I Love You, Honeybear“ wirken anfangs noch ungelenk und melodisch verworren. Man hat das Gefühl, die Kompositionen seien irgendwie unrund. Die Scheibe gewinnt aber mit zunehmender Dauer und wird mit jedem Durchlauf sympathischer. Allmählich bilden sich Favoriten heraus und aus dem Konstrukt wird zunehmend ein logisches Ganzes, welches die Sinne betört.

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